BND: DEN GRÜNEN IST IHRE WEISSE WESTE WICHTIGER ALS DIE WAHRHEIT: Billiges Volksberuhigungstheater
Man stelle sich vor, zwei Angeklagte beteuern bei einer geheimen Vorbesprechung ihre Unschuld – und alle, die der Fall interessieren müsste, Staatsanwälte, Richter, Medien, geben sich damit zufrieden. Auf die Befragung von Sachverständigen und Zeugen wird verzichtet, der Prozess schnell abgeblasen, weil nun alles schon geklärt sei. Die Angeklagten und ihre Auftraggeber bleiben unbehelligt. Eine absurde Vorstellung? In der Justiz ja. In der Politik mitnichten. Genau so wünscht Außenminister Steinmeier den Verdacht aus der Welt zu schaffen, der BND habe unter seiner Aufsicht den USA im Irakkrieg geholfen. Und es sieht so aus, als sei ein Teil der Opposition bereit, bei diesem billigen Volksberuhigungstheater mitzuspielen.
Vor dem heutigen Treffen der Fraktionschefs hat die Lust der Grünen auf einen Untersuchungsausschuss abgenommen, den sie schon beschlossen hatten. Sie sehen den Informationsbedarf „geschrumpft“, seit das Bundestags-Kontrollgremium mit zwei BND-Agenten sprach. Ja, mehr noch: Es sei jetzt nachgewiesen, dass die Spione nicht als „Feuerleitposten“ der US-Truppen fungierten, ließ Grünen-Chef Bütikofer wissen. Wer’s glaubt, mag bei der romantischen Verklärung rot-grüner Friedenspolitik selig werden. Mit Aufklärung haben diese Rückzugsgefechte nichts zu tun, mit Oppositionsarbeit noch weniger. Es scheint den Grünen nur darum zu gehen, eine unangenehme Aufarbeitung ihrer eigenen Regierungszeit zu vermeiden.
Der Bericht des Kontrollgremiums dient als Freispruch erster Klasse. Schließlich steht darin, die Agenten hätten „glaubhaft“ ihre Nichtbeteiligung an einem bestimmten US-Angriff bekundet. An einem! Das reicht. Egal, dass man nur eine Seite – die BND-Leute – anhörte und neue Vorwürfe zur Meldung von Kriegszielen an die USA erst nach der Sitzung bekannt wurden. Egal, dass die Besuche deutscher Beamter in Guantánamo und die Entführung des Deutschen al-Masri durch die CIA beleuchtet werden sollten. Wer dazu jetzt noch Fragen hat, gilt fast schon als Ketzer. Bei der großen Koalition, die über Geheimdienstaktivitäten am liebsten gar nicht reden möchte. Aber auch bei den Grünen, die ihre Vergangenheit verdrängen – und ihre Zukunft so verspielen. LUKAS WALLRAFF
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