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Am Tag danach

Hamburgs Müllmänner sind wieder im Einsatz, doch die Abfallberge sind kaum zu bewältigen. In Behörden und Schulen wird weiter aber gestreikt

„Der ganze Dreck liegt jetzt unter dem Schnee, und die Müllmänner kommen nicht dran“

Von Hanne Detel

In einem Hinterhof auf der Reeperbahn türmt sich der stinkende Müll. Viele der Säcke sind aufgerissen. Flaschen, Biomüll, Verpackungen: Der Abfall liegt völlig durcheinander da. Mit Schaufeln arbeiten sich Müllmann Hans Werner Dahlheim und seine beiden Kollegen gestern früh durch den Müll. Nach zwei Wochen Streik macht sich im Angesicht der Müllberge Ernüchterung bei den Männern breit: „Das ist heute alles gar nicht zu schaffen“, stöhnt der 34-Jährige. „Wenn das so weitergeht, brauchen wir noch Tage.“

Um 6 Uhr waren die drei Männer an diesem ersten regulären Arbeitstag gemeinsam mit rund 1.000 Kollegen ausgerückt, um die gut 30.000 Tonnen Müll wegzuschaffen, die sich in Hamburg angesammelt haben. 250 Fahrzeuge sind im Einsatz.

Obwohl Sperrmüll nicht auf die Straßen gestellt werden darf, haben offenbar viele Kiezanwohner den Streik genutzt, um auch ihren „großen“ Müll loszuwerden: In den Abfallbergen ist vom Wäscheständer über Matratzen, Klobrillen und Computern alles zu sehen.

„Frühestens Ende nächster Woche wird nichts mehr von den Streikfolgen zu sehen sein“, schätzt Reinhard Fiedler von der Stadtreinigung. Dies sei abhängig von der Wetterlage. „Von heute an beginnen die Mitarbeiter wieder mit dem gewohnten Abholrhythmus. Müll, der am Donnerstag und Freitag wegen der großen Mengen nicht bewältigt wird, kommt am Sonnabend an die Reihe.“

Das Trio um Müllwerker Dahlheim wird auf der Reeperbahn freudig begrüßt: „Da warte ich seit letzter Woche drauf“, sagt Passant Bodo Seidel in einer Nebenstraße und schießt ein „Erinnerungsfoto“ von einem besonders hohen Abfallhaufen. Helga Schultz, Angestellte in einer Konditorei unweit der Großen Freiheit, ist besorgt wegen des Schnees: „Da liegt der ganze Dreck jetzt drunter und die Müllmänner kommen nicht dran.“

Der starke Schneefall behindert tatsächlich an diesem Morgen die Reinigungsarbeiten auf dem Kiez. Doch Stadtreinigungssprecher Fiedler verspricht, „sobald der Schnee weg ist, holen wir die Reinigung der Gehwege nach“.

Der Winterdienst rückte gestern erstmals wieder mit regulärer Besetzung aus. Seit dem frühen Morgen waren 500 Mitarbeiter und 120 Fahrzeuge der Stadtreinigung damit beschäftigt, die Straßen von Schnee zu befreien und zu streuen. Im Osten der Stadt kamen sogar Schneepflüge zum Einsatz. Dennoch kam es zu teils erheblichen Verkehrsbehinderungen. In Poppenbüttel und Hummelsbüttel musste der Busverkehr vorübergehend unterbrochen werden.

In den Teilen des öffentlichen Dienstes ging der Ausstand gestern weiter. Der von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg am Mittwoch geschlossene Kompromiss bei der Verlängerung der Wochenarbeitszeit gilt nicht für die Bereiche, für die auf Arbeitgeberseite die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) zuständig ist.

Deshalb protestierten gestern etwa 300 Beschäftigte der Hamburger Bezirksämter an der Schaartorschleuse gegen längere Arbeitszeiten. Am heutigen Freitag sind zusätzlich die Behörde für Bildung und Sport, die Behörde für Soziales und Familie sowie der Landesbetrieb Verkehr zum Streik aufgerufen. An einer Kundgebung zwischen 8 und 10 Uhr vor dem Ortsamt Barmbek-Uhlenhorst an der Poppenhusenstraße werden auch die Schulhausmeister teilnehmen, die ebenfalls im Ausstand sind.

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