: Das 300-Euro-Eis
Eine Reporterin zahlte 300 Euro an Hamburger Jugendliche, über die sie einen ZDF-Beitrag zum Thema Jugendgewalt drehte. Für ZDF-Fernsehrat Jan Henne De Dijn war das klar daneben
Interview: Klaus Irler
taz: Herr Henne De Dijn, den Jugendlichen, die in dem ZDF-Bericht „Brutaler Schulalltag“ als aggressive Gang dargestellt wurden, ist von der Reporterin eine „Aufwandsentschädigung“ gezahlt worden. Produziert wurde der Beitrag von einer Produktionsfirma, gelaufen ist er im Magazin „ZDF.reporter“. Das ZDF hat nun angekündigt, seine Produktionsfirmen noch mal auf seine journalistischen Grundsätze hinzuweisen. Reicht Ihnen das als Reaktion?
Jan Henne De Dijn: Grundsätzlich muss man darauf achten, dass es nicht zu einer Pauschalverurteilung kommt. Es muss durchaus möglich sein, in bestimmten Zusammenhängen auch mit externen Produktionsfirmen zusammenzuarbeiten. Nur muss man sich ganz klar darauf verständigen, wie man inhaltlich arbeitet und welches die Qualitätsmaßgaben sind.
Welche Kontrollmechanismen sollten eingeführt werden, um die Zusammenarbeit zu überprüfen?
Zum einen ist es wichtig, dass es eine sehr enge Verknüpfung zwischen einer Redaktion beim ZDF mit einer externen Produktionsfirma gibt. Zweitens sollte man sich an bestimmte Themen nur mit bewährten Produktionsfirmen herantasten. Dass das dann trotzdem zu Fehlern führen kann, ist menschlich. Ich weiß, dass die Produktionsfirma ein langjähriges Vertrauensverhältnis mit dem ZDF pflegt. Die Sendung an sich war von der Struktur her von guter Qualität. Problematisch ist halt der Vorfall der Aufwandsentschädigung. Das muss unterbleiben, das muss man ganz klar sagen.
Kann man das Problem tatsächlich durch eine verstärkte Zusammenarbeit aus der Welt schaffen?
Wichtig ist, gerade bei sensiblen Themen mit möglichst vielen internen Leuten solche Themen zu begleiten, um die Fragestellung gar nicht aufkommen zu lassen. Es tritt jetzt etwas in den Vordergrund, was für die Gesamtsituation sehr bedauerlich ist, denn dass es sich bei dem Stadtteil Mümmelmannsberg um einen sozialen Brennpunkt handelt, ist jedem Hamburger bekannt. Ich glaube, dass der Bericht an der Stelle nicht unausgewogen ist.
Die Jugendlichen sagen, die Reporterin hätte die Szenen im Film mit ihnen eingeübt – die Reporterin streitet das ab. Wie bewerten Sie den Vorgang?
Sollte es so sein, dass 300 Euro bezahlt worden sind, so halte ich das für deutlich unangemessen als Aufwandsentschädigung: Es ist ja nicht so, dass die ein Eis esDresen gegangen sind. 300 Euro sind deutlich mehr. Und zwar unabhängig davon, ob es zu Inszenierungen gekommen ist oder nicht. Sollte es zu Inszenierungen gekommen sein, so gehe ich davon aus, dass dann ernsthafte Konsequenzen gegenüber der Produktionsfirma vertreten würden.
Wie wird der ZDF-Fernsehrat auf den Vorfall reagieren?
Zunächst geht es erst mal darum, den Vorfall zu klären. Man darf auch eines nicht vergessen: Die Unschuldsvermutung gilt immer zuerst. Das ZDF arbeitet an dieser Stelle verantwortlich: Es ist nicht so, dass wir hier die Spitze eines Eisbergs haben, sondern wir haben einen Einzelfall. Das Thema wird mit Sicherheit beraten und es wird mit Sicherheit eine deutliche Stellungnahme des Fernsehrates geben.
Bislang hätte man solche Methoden eher bei den Privatsendern vermutet. Nähert sich das ZDF den Privatsendern an?
Wir haben ein öffentlich-rechtliches System, das einen Funktionsauftrag hat. Die Information spielt dabei die zentrale Rolle. Darum müssen die ethischen Ansprüche an ZDF-Journalisten auch höher sein. Ich finde es völlig richtig, dass es zu verurteilen ist, dass hier eine Aufwandsentschädigung gezahlt worden ist. Trotzdem möchte ich nicht sagen, dass das ZDF sich, was die Informationen betrifft, den Privaten annähert.
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