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Koalition hat sich wieder lieb

STROM SPD und CDU beenden Krise und einigen sich auf Beschluss zur Gründung von Stadtwerken

Die Koalition wackelte nicht, sie kippelte noch nicht mal leicht. SPD und CDU haben sich bei ihrem Krisengipfel auf einen Kompromiss beim umstrittenen Thema Strom geeinigt. Im Koalitionsausschuss einigten sie sich am Donnerstag, den schon fast zehn Monate alten Antrag zur Stadtwerksgründung bei der nächsten Parlamentssitzung am 24. Oktober zu beschließen. „Alles bleibt, wie es ist“, sagte SPD-Landeschef Jan Stöß anschließend vor Journalisten. Für ihn ist ein Parlamentsbeschluss zehn Tage vor dem Volksentscheid am 3. November ein Signal, „weil dann klar ist, dass der Volksentscheid überflüssig ist“.

Die führenden Politiker beider Parteien und Fraktionen hatten auf Drängen von SPD-Fraktionschef Raed Saleh am Rande der Parlamentssitzung rund eineinhalb Stunden getagt. Das Ergebnis: Zwar soll das neue Stadtwerk nicht als Stromhändler auftreten. Es soll aber, wie in einem von der Union kritisierten Konzept von Umweltsenator Michael Müller (SPD) vorgesehen, durchaus Strom einkaufen können, wenn die eigene Produktion nicht ausreicht. Weder Stöß noch CDU-Chef Frank Henkel mochten darin einen Widerspruch sehen. Zum Zukauf sei man schon bundesrechtlich verpflichtet, sagte Stöß. Beide wollten aber keine Höchstmenge nennen.

Die beiden Koalitionspartner hatten sich zuvor gegenseitig vorgeworfen, Verabredungen nicht einzuhalten. Während die SPD der CDU vorhielt, das Ende 2012 vereinbarte Stadtwerk zu blockieren, beriefen sich die Christdemokraten auf die genaue Formulierung. Darin heißt es, dass das neue Unternehmen ausschließlich selbst produzierten Ökostrom liefern soll. Zum Start weiteren Strom hinzuzukaufen, ist darin nicht vorgesehen. Die SPD-Seite argumentiert, es sei klar gewesen, dass sich das Stadtwerk genau so und stufenweise entwickeln müsse.

Für Teile der SPD suchte die CDU lediglich nach einem Vorwand, ihre Zustimmung vom Dezember 2012 aufzukündigen und ein Stadtwerk doch nicht gründen zu müssen. Das damalige Ja der CDU hatte selbst SPDler überrascht, weil es dem ordnungspolitischen Ansatz widerspricht, dass der Staat nicht selbst auf dem Markt aktiv werden sollte.

Dass der Streit ausgerechnet in dieser Woche seinen Höhepunkt fand, ist kein Zufall. Offensichtlich wollte die CDU nach dem Unionserfolg bei der Bundestagswahl am Sonntag klarmachen, dass sie zwar Juniorpartner in der rot-schwarzen Koalition, aber dennoch nicht bloßer Erfüllungsgehilfe der SPD ist. Das zeichnete sich schon im Streit über eine Empfehlung des Abgeordnetenhauses für den Energievolksentscheid am 3. November ab, wo sie vor vier Wochen eine harte Ablehnung durchsetzen konnte.

STEFAN ALBERTI

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