piwik no script img

Rassistischer Überfall in Essener Innenstadt

Mann aus Sri Lanka wird an U-Bahnhaltestelle angegriffen und beschimpft. „Auch NRW hat ein Rassismusproblem“

ESSEN taz ■ Eine U-Bahnhaltestelle mitten in der Essener City, kurz nach 23 Uhr: Ein 31-Jähriger, der vor Jahren als Flüchtling aus Sri Lanka ins Ruhrgebiet kam, wartet auf die U-Bahn nach Hause. „Scheiß-Ausländer“ hört er plötzlich von hinten. Er versucht sofort zu fliehen. Die drei Pöbler (17,18 und 31) stellen ihm ein Bein. Er stürzt. Als er am Boden liegt, treten sie auf ihn ein.

Was am Ostermontag an der Essener U-Bahnstation Rheinischer Platz passierte, habe „wahrscheinlich ein fremdenfeindliches Motiv“, informiert der Polizei-Sprecher. Die Täter wurden noch am Tatort verhaftet, zwei verbrachten die Nacht in der Ausnüchterungszelle. „Klassische Schläger“ nennt sie Heribert Reick, Leiter des Essener Staatsschutzes. Zwei von ihnen verprügelten vor vier Wochen im Essener Hauptbahnhof einen schwarzen Passanten. Als Rechtsextreme sind sie noch nicht aufgefallen. „Wahrscheinlich sind sie nicht organisiert“, sagt Reick und betont, dass so etwas nur sehr selten passiert in Essen. Es gebe keine richtige rechte Szene, nur in den schwierigen Stadtteilen flögen manchmal solche Beschimpfungen in Kombination mit Fäusten – „und dann sitzt man wieder nebeneinander in der Schule“.

„Es lauert nicht hinter jeder Ecke eine Gefahr“, sagt auch Birgit Jagusch vom nordrhein-westfälischen Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit (IDA). Trotzdem gebe es auch in NRW ein Rassismusproblem – und das sei nicht klein.

Das zeigt auch der Verfassungsschutzbericht: Die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten steigt seit zehn Jahren, allein im Jahr 2005 mit NRW weit 2.524 Straftaten um 16 Prozent. Gleichzeitig ist die Szene immer besser organisiert und selbstbewusster – auch öffentlich. „Es entstehen Territorien zum Beispiel in Dortmund, wo Rechtsextreme zum Straßenbild gehören“, sagt Martin Langebach von der Fachhochschule Düsseldorf.

Birgit Jagusch hält die Dunkelziffer rechtsextremer Übergriffe für deutlich höher. „Vor allem die verbalen Übergriffe werden ja gar nicht angezeigt“, sagt sie. Zudem halte die Polizei sich stark zurück, Übergriffe als rassistisch zu bezeichnen. „Sie wollen ihren Ermittlungen nicht vorausgreifen“, sagt sie. Es bestehe allerdings die Gefahr, Rechtsextremismus als alkoholisierte Jugendgewalt zu bagatellisieren. „Wer betrunken Ausländer verprügelt, ist auch nüchtern ein Rassist“, sagt Jagusch. „Und das muss auch thematisiert werden.“ Dass im Prozess gegen einen Rechten, der vor einem Jahr in Dortmund einen Punk tötete, dessen Gesinnung Randthema war, hält sie „für sehr gefährlich“. Denn „Nigger“ hörten ausländisch Aussehende inzwischen am häufigsten vom unauffälligem Nachbarn. MIRIAM BUNJES

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen