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Pflüger spielt den Integrator

CDU-Spitzenkandidat Pflüger besucht Vereine türkischer Migranten in Kreuzberg. Dabei lobt er deutsche Tugenden, outet sich als Ex-Kicker und erklärt Deutschland zum Einwanderungsland: „Wir laden jeden ein, herzukommen“

CDU-Spitzenkandidat Friedbert Pflüger hat sich gestern vor Mitgliedern der Türkischen Gemeinde Berlin dafür ausgesprochen, nicht mehr zwischen Ausländern und Deutschen zu unterscheiden, sondern zwischen „Rechtschaffenen und Kriminellen“. Die müsse man dann allerdings auch abschieben können, so Pflüger: „Wenn Menschen unseren Wertekontext nicht akzeptieren, können sie nicht unter uns leben.“

Der Christdemokrat besuchte bei einem Rundgang durch Friedrichshain-Kreuzberg mehrere türkische Vereine sowie das Jobcenter und andere Einrichtungen im Bezirk. Begleitet wurde Pflüger dabei von dem Abgeordneten Kurt Wansner und den türkischstämmigen CDU-Politikern Ertan Taskiran und Sedat Samuray. Samuray ist Direktkandidat für den Kreuzberger Wahlkreis 2, der sowohl den Wrangel- wie den Graefekiez umfasst. Taskiran kandidiert für die Bezirksverordnetenversammlung.

Bei Pflügers Tour ging es durchaus nicht immer harmonisch zu. Tacettin Yatkin, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde Berlin (TGB) und CDU-Mitglied, pflichtete Pflüger zwar bei: „Kriminelle muss man abschieben.“ Doch Celal Altun, Generalsekretär der TGB, attackierte den Spitzenkandidaten: „Vor der Wahl sind Politiker immer zu uns gekommen – nach der Wahl ist Zusammenarbeit dann selten.“ Ihm sei es egal, wer regiere, so Altun. Wichtig sei mehr Partizipation.

Pflüger gab zu, dass man den Migranten, die sich integrieren wollten, „herzlicher“ begegnen müsse. Er lud sogar alle Menschen ein, nach Deutschland zu kommen, wenn sie die Rechtsordnung anerkennen würden. Umfragen hätten aber gezeigt, so Pflüger, dass viele Muslime das deutsche Grundgesetz nicht akzeptieren würden. „Beide Seiten müssen aufeinander zugehen“, sagte Pflüger. Die Deutschen könnten dabei auch von den TürkInnen abgucken, kuschelte der Spitzenkandidat sich an: „In Sachen Gastfreundschaft, Familienbewusstsein und Kinderliebe können wir alle viel von den Türken lernen.“

Beim Fußballverein Türkiyemspor landete der Christdemokrat gleich mit seiner ersten Frage im Fettnäpfchen: Ob es denn sinnvoll sei, wenn Türken ihre eigenen Vereine gründeten, statt in den deutschen mitzuspielen, fragte Pflüger die Vertreter des erfolgreichen Kreuzberger Traditionsvereins. Die sind solche Missverständnisse gewohnt und wollten diese Unterstellung nicht auf sich sitzen lassen. „Ihre Informationen sind falsch“, sagte Türkiyemspor-Manager Fikret Ceylan. 70 Prozent der Mitglieder des Vereins seien deutsche Staatsbürger, die ethnische Herkunft mache den Verein zu einem der internationalsten in Berlin. Und dass tatsächlich, wie von Pflüger beklagt, wenig türkischstämmige Spieler in der deutschen Nationalmannschaft spielten, sei eher darauf zurückzuführen, dass viele Fußballer türkischer Herkunft sich im Profi-Milieu nicht gut aufgenommen fühlten. „ ‚Wenn die mich nicht wollen, dann gehe ich eben in die Türkei‘, sagen sich viele junge Fußballtalente“, sagte Manager Ceylan.

Da sei er wohl einem Vorurteil aufgesessen, ruderte Friedbert Pflüger zurück und versprach im Gegenzug, dass sich Kurt Wansner dafür einsetzen würde, dass Türkiyemspor endlich einen eigenen Sportplatz bekäme. Der Spitzenkandidat outete sich selbst als ehemaligen aktiven Fußballer und bekannte: „Junge Leute lernen in Vereinen Kameradschaft, Pünktlichkeit und Teamgeist. Das ist durch nichts zu ersetzen.“ Am Schluss erhielt Pflüger etwas, was nicht einmal Konkurrent Klaus Wowereit hat: die Ehrenmitgliedschaft bei Türkiyemspor. LEO LÖLHÖFFEL SOPHIE MONO, ALKE WIERTH

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