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Ehemaliger Junta-Chef Videla steht erneut vor Gericht

ARGENTINIEN Der frühere General wird unter anderem wegen Mord an einem Deutschen 1978 angeklagt

Wegen Mord, Folter und Entführung in 40 Fällen ist in Argentinien der frühere Juntachef Jorge Rafael Videla angeklagt worden. Am Montag (Ortszeit) erhob Bundesrichter Daniel Rafecas Anklage gegen den 84-Jährigen. Unter den 40 Fällen ist auch die gewaltsame Entführung und Ermordung des Deutschen Rolf Stawowiok. Der damals 20-jährige Stawowiok war am 21. Februar 1978 in Argentinien verschleppt worden und galt seither als verschwunden.

Gerichtsmediziner konnten jedoch vor wenigen Monaten die sterblichen Überreste eines im August 2004 gefundenen Toten als Rolf Stawowiok identifizieren. Wie im Fall von Stawowiok bezieht sich die Anklage bei der Mehrzahl der 39 anderen Fälle auf die Identifizierung von Toten, die anonym auf verschiedenen Friedhöfen in der Hauptstadt und der Provinz Buenos Aires begraben waren. Noch bis vor Kurzem standen ihre Namen auf der Liste der verschwundenen Opfer der Diktatur.

Im Mordfall Stawowiok ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Nürnberg. Das 2008 geschlossene Verfahren war nach der Identifizierung der sterblichen Überreste von Stawowiok Ende 2009 wieder aufgenommen worden. Im Januar hatte die Nürnberger Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl erwirkt und die Auslieferung Videlas beantragt. Mit der jetzigen Anklage von Bundesrichter Rafecas ist eine Auslieferung ausgeschlossen.

Der damalige General Videla hatte am 24. März 1976 als Chef der Militärjunta in Argentinien die Macht übernommen und ein diktatorisches Regime errichtet. Die Diktatur dauerte bis 1983. Nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen wurden in dieser Zeit 30.000 Menschen ermordet.

Videla wurde im Jahr 1985 wegen Verbrechen gegen das Menschenrecht zu lebenslanger Haft verurteilt, fünf Jahre später aber begnadigt. Gegenwärtig sitzt Videla wegen Kindesraub in Untersuchungshaft, mehrere Verfahren sind anhängig.

JÜRGEN VOGT, BUENOS AIRES

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