piwik no script img

„Ahmadinedschad ist ein friedlicher Mensch“

Mohammed Ramin, ein Freund des iranischen Staatspräsidenten, hält den Liberalismus für gescheitert. Die Zukunft gehöre der islamischen Demokratie und ihren weisen Führern. Und: Die Aggression gehe nur vom Westen aus

taz: Herr Ramin, Präsident Ahmadinedschad hat einen Brief an US-Präsident George Bush geschrieben. Warum?

Mohammed Ramin: Er will die falsche Behauptung widerlegen, dass er nicht bereit sei, zu reden und eine friedliche Politik zu betreiben.

Seine provokanten Äußerungen zeugten bislang nicht gerade von friedlichen Absichten …

Ahmadinedschad spricht mit Bush so wie Bush spricht. Aber er spricht nicht mit jedem so. Er ist ein friedlicher, gutherziger und gutwilliger Mensch.

Ahmadinedschad erklärt in dem Brief den Liberalismus und die westliche Demokratie für gescheitert.

Damit hat er Recht. Die Demokratie, die Plato und Aristoteles einst erdachten, sollte Intellektuelle, Weise und Wissende an die Macht bringen, keine Kriegstreiber wie Bush. Wenn diese Demokratie, die als Mittel zum Frieden gekommen ist, jetzt als Mittel zum Krieg benutzt wird, dann ist sie gescheitert.

Was ist denn Ahmadinedschads Alternative? Diktatur?

Das Problem ist, dass sie im Westen nur diese zwei Alternativen kennen: entweder Diktatur oder ihre westliche Form von Demokratie. Wir kennen eine weitere Form von Demokratie: die iranische, wo die Weisen dafür sorgen, dass keine kriegerischen Leute an die Macht kommen.

Ahmadinedschad gilt im Westen nicht gerade als weiser Friedensstifter. Seine Außenpolitik macht dem Westen Angst.

Umso wichtiger ist es, Vertrauen zu schaffen. Aber wenn nur einseitig Vertrauen verlangt wird, dann ist das eine Einbahnstraße. Die westlichen Regierungen betrachten sich als Maßstab aller Dinge. Sie sagen: Wir machen, was wir wollen, ihr müsst uns nicht vertrauen. Ihr braucht nicht zu wissen und dürft nicht fragen, was wir tun. Aber wir müssen Vertrauen haben in das, was ihr tut.

Der Iran hat sein Atomprogramm jahrelang geheim gehalten. Der Westen hat allen Grund, misstrauisch zu sein.

Der Iran hat in den vergangenen 150 Jahren kein Land dieser Erde angegriffen. Die Europäer haben in dieser Zeit fast die ganze Welt angegriffen, und die USA haben als einzige Regierung die Atombombe eingesetzt. Da sollen doch die Iraner misstrauisch gegenüber den Europäern und Amerikanern sein, nicht umgekehrt.

Inzwischen gibt es internationale Gremien und Abkommen, die den Einsatz von Atomwaffen verhindern sollen.

Diese Gremien sind nützlich, wenn sie sich an ihre Vereinbarungen halten. Die Atomenergiebehörde hat zwei Aufgaben: Sie soll die Verbreitung und Produktion von Atomwaffen verhindern und den Mitgliedern helfen, Nukleartechnik zu friedlichen Zwecken zu nutzen. Wenn die Behörde diese Vorgaben gerecht umsetzt, ist das gut. Aber wenn den Iranern nicht erlaubt wird, Atomenergie friedlich zu nutzen, dann ist das ungerecht. Die Amerikaner und Europäer haben tausende Atomraketen. Sie sagen ganz offen, dass sie weiter bauen wollen und drohen uns mit militärischen Angriffen. Wir Iraner dagegen haben keine Atomwaffen und brauchen auch keine, denn sie widersprechen unserer Weltanschauung. Wir sagen: Unterdrückt nicht und lasst euch nicht unterdrücken. Wir haben niemanden angegriffen, niemanden für etwas beschuldigt, was nicht bewiesen ist, und wir wollen selbst auch nicht beschuldigt oder angegriffen werden.

Wäre es nicht nützlicher, auf den Westen zuzugehen, statt den Holocaust zu leugnen und Israel nach Europa verlegen zu wollen?

Ahmadinedschads Vorgänger Chatami hat jahrelang für eine Versöhnung mit dem Westen geworben. Er hat Gespräche geführt und das Nuklearprogramm vorübergehend ausgesetzt. Mit welchem Ergebnis? Am Ende haben die Europäer gesagt, nein, ihr dürft nicht mal forschen! Die Gesetze der Atomenergiebehörde gelten für euch nicht, weil wir kein Vertrauen haben. Hat es Sinn, diese Politik fortzusetzen?

Ahmadinedschad wurde für sein Versprechen gewählt, die Armut zu bekämpfen. Dafür baucht er aber ausländische Investitionen, keine Sanktionen.

Die meisten Iraner haben Übergewicht, machen sie sich keine Sorgen. Wir sind kein armes, zurückgebliebenes Volk. Wir sind ein intelligentes und bewusstes Volk, das Ahmadinedschad gewählt hat, damit er das Ansehen Irans in der Welt wiederherstellt, das unter Chatami gelitten hat.

Bislang hat er das Gegenteil erreicht, der Iran hat sich mit dem Rest der Welt angelegt.

Vier Regierungen sind nicht der Rest der Welt.

Das ist die Realität: Einige wenige Regierungen bestimmen die Weltpolitik.

Das wollen wir korrigieren. Es gibt etwa zehn Länder, die über Atomwaffen verfügen und versuchen, die 180 anderen UNO-Mitglieder an einer friedlichen Nutzung der Nukleartechnik zu hindern. Die Iraner haben sich diese Technologie aus eigener Kraft und zu friedlichen Zwecken beschafft. Jetzt wollen wir sie auch nutzen, und wenn uns die Mitglieder des Weltsicherheitsrates unter Druck setzen, dann sind wir bereit, diese Atomtechnologie allen 180 Ländern zur Verfügung zu stellen.

Sie meinen, die Iraner stehen gegen den Rest der Welt?

Nein, der Rest der Welt steht gegen diese fünf Länder.

INTERVIEW: KRISTIN HELBERG

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen