piwik no script img

„Ich bin wirklich glücklich“

GEWERKSCHAFT Michaela Rosenberger, NGG-Chefin, freut sich über den Mindestlohn – aber nicht darüber, dass er erst 2018 steigen soll

Michaela Rosenberger

■ 53, seit November 2013 Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), ist die erste Frau an der Spitze ihrer Gewerkschaft. Die ausgebildete Hotelfachfrau führte ein Hamburger Hotel und arbeitete als Berufsschulfachlehrerin.

taz: Frau Rosenberger, freuen Sie sich über den Koalitionsvertrag?

Michaela Rosenberger: Ich bin wirklich glücklich, dass endlich ein flächendeckender Mindestlohn kommt. Vor allem, weil es keine Differenzierung nach Ost und West geben wird und auch Minijobber den Mindestlohn bekommen werden.

Keine Angst, dass nachträglich noch viele Ausnahmen drohen?

Doch, der Koalitionsvertrag lässt eine Hintertür offen. Aber wir müssen eben dafür sorgen, dass es keine Ausnahmeregelungen gibt. Vor allem nicht für Saisonarbeitskräfte, die einen sehr harten Job machen.

Im Gastgewerbe gibt es Tarifverträge mit Löhnen unter 8,50 Euro. Müssen also noch viele Beschäftigte bis 2017 auf ihre 8,50 Euro warten?

Das Problem im Gastgewerbe ist vielmehr, dass wir dort nur noch eine Tarifbindung von rund 30 Prozent haben. Es werden also viele Beschäftigte schon ab dem Jahr 2015 den Mindestlohn bekommen.

2017 müssen Sie mit den Arbeitgebern über die Erhöhung des Mindestlohns streiten. Das wird nicht einfach.

Nein. Zumal wir überhaupt nicht zufrieden sind damit, dass die 8,50 Euro bis Ende 2017 gelten. Die Preise steigen ja weiter. Ab 2018 muss der Mindestlohn kräftig erhöht werden. Aber wenn er erst einmal eingeführt ist, wird seine Akzeptanz in der Gesellschaft wachsen. Das stärkt unsere Verhandlungsposition.

In der Fleischindustrie streiten Sie mit den Arbeitgebern über Niedrigstlöhne. Hilft der Koalitionsvertrag da weiter?

Ja. Wenn die Arbeitgeber sich jetzt noch weigern, einen Tarifvertrag abzuschließen, denn es gibt bisher keinen Flächentarifvertrag, dann ist klar: Ab 2015 müssen sie 8,50 Euro zahlen. Auch für Werkvertragsarbeiter. Aber wir sind enttäuscht, dass Betriebsräte keine Mitbestimmung bei den Werkverträgen bekommen. Nur so kommt man zu wirklichen Verbesserungen.

Betriebsräte müssen über Werkverträge nur informiert werden. Aber die Finanzkontrolle Schwarzarbeit soll stärker gegen Missbrauch vorgehen. Wie viel bringt das?

Die Finanzkontrolle deckt viel auf. Aber sie hat zu wenig Personal. Das muss aufgestockt werden. Enttäuscht sind wir übrigens, dass es keinen besseren Informantenschutz gibt. Mancher Gammelfleischskandal wurde von Mitarbeitern aufgedeckt, die dann gefeuert wurden. Da haben wir uns mehr versprochen. Das kostet nichts und nützt allen. INTERVIEW: EVA VÖLPEL

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen