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Agrarkritiker zu Unrecht verbannt

DEMONSTRATIONSRECHT

Stolze sechs Monate: So lange sollten sich fünf Gegner des dortigen Mega-Schlachthofs vom niedersächsischen Wietze fernhalten. Bei Verstoß drohten 400 Euro Zwangsgeld oder gar Zwangshaft. Kurz bevor im August bis zu 7.000 Menschen in Wietze gegen Massentierhaltung und industrielle Landwirtschaft demonstrierten, hatte die Gemeinde dieses Aufenthalts- und Betretungsverbot gegen fünf Aktivisten verhängt – zu Unrecht, wie jetzt das Verwaltungsgericht Lüneburg urteilte.

Dort reichten die fünf Verbannten Klage ein, weil sie die Versammlungsfreiheit eingeschränkt sahen und sich von der strikten Maßnahme der Gemeinde kriminalisiert fühlten. Deren Argument war war das angebliche Störerpotenzial der Betroffenen: „Bundesweit polizei- wie gerichtsbekannt“ seien die Schlachthof-Gegner und als Protestler „besonders aufgefallen“, hieß es aus dem Rathaus von Wietzes Bürgermeister Wolfgang Klußmann (CDU). Belegen sollte diese Einschätzung eine Gefahrenprognose der Polizeiinspektion Celle. Darin werden den fünf Betroffenen Bagatelldelikte wie Hausfriedensbruch, Widerstand gegen Polizeibeamte oder Blockadeaktionen wie Anketten vorgeworfen. Einem der Kläger lastet man gar einen rechtskräftigen Freispruch als vermeintliche Straftat an – immerhin vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs.

Alles keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein ein sechsmonatiges Aufenthaltsverbot zur Verhinderung von Straftaten, befand nun das Verwaltungsgericht Lüneburg. Zudem sei die Gemeinde Wietze für derlei Maßnahmen ja gar nicht zuständig, sondern vielmehr die Polizei. Gerügt wurde auch der Versuch, durch ein Aufenthaltsverbot die Teilnahme der fünf Betroffenen an der Großdemo im August zu verhindern: Das Versammlungsrecht habe Vorrang.

Gleich nach der Urteilsverkündung am Montag kündigten die Aktivisten an, noch am selben Tag an einer Mahnwache der Bürgerinitiative Wietze teilzunehmen – am sogenannten Schlachthof-Kreisel, nur ein paar Hundert Meter entfernt von der umstrittenen Geflügel-Schlachtfabrik.  THA

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