: „Das ist nicht nur eine Medienaffäre“
Der Journalist Karl Günther Barth wurde vom BND bespitzelt. Er fordert einen „ständigen Schäfer“: einen Geheimdienst-Ombudsmann, an den sich Bürger wenden können und der entsprechende Ermittlungsbefugnisse hat
taz: Herr Barth, der Schäfer-Bericht über die Bespitzelung von Journalisten durch den BND ist seit einer knappen Woche veröffentlicht. Wissen wir jetzt alles?
Karl Günther Barth: Ich bin sehr skeptisch, was diese veröffentlichte Version angeht. Schäfer hat einen Ermittlungsauftrag gehabt von der Parlamentarischen Untersuchungskommission – das ist erst mal gut. Und dann hat er Akten eingesehen. Aber die Akten sind nicht vollständig. Außerdem hat Schäfer eine Auswahl getroffen, eine subjektive Auswahl – in dem Bemühen zu zeigen, wie der BND arbeitet.
Wird der Bericht diesem Bemühen gerecht?
Ja, und insofern finde ich auch seine Veröffentlichung richtig. Schäfer deckt Regelverstöße auf und meiner Ansicht nach auch Gesetzesverstöße. Aber diese Akten bestehen ja aus Gesprächsprotokollen, die BND-Mitarbeiter angefertigt haben. Das sind Informationen von Zuträgern und deren Bewertung durch den BND. Damit haben wir noch keine Fakten, sondern eine ziemlich einseitige Sicht. Und Schäfer konnte auch nur diese einseitige Sicht weitergeben.
Verläuft also auch die aktuelle Debatte zu einseitig?
Ja, aber in anderer Weise: Wir reden ja kaum noch darüber, was der BND getan hat. Wir reden darüber, was angebliche Journalisten gemacht haben, die ihre KollegInnen ausgespäht haben. Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass wir jetzt plötzlich zu viel über eine angebliche Medienaffäre reden. Die gibt es natürlich: Eine Hand voll Leute, die unter dem Deckmäntelchen Journalist agierten, waren BND-Zuträger. Nur: Damit darf nicht ein ganzer Berufsstand in Misskredit gebracht werden. Schwarze Schafe gibt es immer.
Werden mit der Berichterstattung der letzten Tage also eher alte Rechnungen beglichen?
Das ist durchaus möglich – Journalisten sind ja auch nicht frei von persönlichen Animositäten. Aber mancher, der über die Affäre schreibt, vergisst, den Fokus auf die wichtigen Fragen zu richten. Und die heißen: Was muss jetzt politisch passieren?
Die Berliner Zeitung berichtet jetzt, zumindest die Bespitzelung ihres Mitarbeiters Andreas Förster sei 2005 vom BND auch dem Kanzleramt angezeigt worden.
Ich kann das nicht kommentieren. Aber das muss aufgeklärt werden, auch darüber redet man mir zu wenig: Wer hat wann was gewusst? Bei der großen Aufregung, die da wegen der so genannten Abflüsse geherrscht hat, kann ich mir nur schwer vorstellen, dass der Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt nicht im Geringsten informiert gewesen sein soll.
Darüber hört man in der politischen Diskussion aber verhältnismäßig wenig …
Klar, und das kann den Parteipolitikern nur recht sein: Sie hängen ja alle mit drin. Entweder war es der Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidtbauer zur Zeit der Regierung Kohl oder die entsprechenden Leute unter Rot-Grün. Da wir jetzt auch noch eine große Koalition haben, liegt der Verdacht nahe, dass wir da auch eine große Koalition des Unter-denTeppich-Kehrens haben.
Wie geht es beim BND weiter? Der Schäfer-Bericht fordert eine umfassende Dokumentationspflicht – reicht das?
Davon halte ich nicht allzu viel. Der BND ist ein Geheimdienst – und schon bürokratisch genug. Soll der nun zu einer Aktenführung wie das Bauamt von Hintertupfingen angehalten werden? Im Gegenteil: Die Grenzen, was sein Auftrag ist und was er darf und nicht darf, müssen klar gesetzlich fixiert sein. Was wir brauchen, ist eine Art Ombudsmann, einen „ständigen Schäfer“, an den sich Bürger wenden können und der entsprechende Ermittlungsbefugnisse hat.
Die sich dann wieder schnell in den Medien wiederfinden?
Nein, das muss natürlich sichergestellt werden. Ich will den BND ja nicht abschaffen. Aber was ein Journalist verdient, ob er Eheprobleme oder ein Verhältnis mit seiner Sekretärin hat – all so etwas wurde ja eifrig notiert – geht einen Geheimdienst nichts an. Wenn die ein Leck haben, sollen sie ein Ermittlungsverfahren einleiten und die Staatsanwaltschaft einschalten. Das macht jede andere Behörde auch so.
Wurde die Diskussion also bewusst auf die Medien abgeschoben?
Natürlich müssen sich die Medien mit sich und ihrer Rolle beschäftigen und fragen, was könne wir daraus lernen. Aber entscheidend ist: Sie sind nicht Täter. Täter waren Leute im BND.
Was muss also passieren?
Erstens gibt es eine politische Verantwortung, klar. Aber was passiert mit denen, die beim BND Mist gebaut haben? Gibt es da nicht so etwas wie Amtshaftung? Hört man etwas von Disziplinarverfahren? Sind Ermittlungsverfahren wegen der von Schäfer dokumentierten Gesetzesverstöße eingeleitet? Davon weiß ich nichts. Das wäre aber für mich die Konsequenz.
INTERVIEW: STEFFEN GRIMBERG
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen