piwik no script img

Honorarflut für einen Amigo

Dresdens Oberbürgermeister Ingolf Roßberg soll einen Freund begünstigt und dessen Gläubiger bewusst getäuscht haben. Seit gestern sitzen beide auf der Anklagebank. An Roßbergs Rückkehr ins Rathaus glauben selbst einstige Unterstützer nicht mehr

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Im Dresdner Kommunalwahlkampf des Jahres 2001 war Ingolf Roßberg unter anderem für eine „größtmögliche Transparenz der Entscheidungen“ angetreten. Seit gestern sitzt der Oberbürgermeister nun selbst auf der Anklagebank des Landgerichts. Untreue, Vorteilsnahme und Beihilfe zum betrügerischen Bankrott lauten die wichtigsten Punkte der 15-seitigen Anklageschrift. Neben ihm der Mann, der von Roßbergs Tricks profitiert haben soll, der ehemalige Fluthilfe-Koordinator Rainer Sehm.

Die Freundschaft der beiden reicht bis in das Jahr 1994 zurück. Damals hatte sich der gerade 33-jährige bisherige Stadtentwicklungsdezernent Roßberg schon einmal vergeblich um das Amt des Dresdner Oberbürgermeisters bemüht. Im benachbarten Städtchen Radebeul empfahl ihn nach der Wahlniederlage der damals noch erfolgreiche Unternehmer Sehm als Beigeordneten für das Rathaus. Roßberg revanchierte sich nach seinem Wahlsieg in Dresden sieben Jahre später und ernannte Sehm zu seinem persönlichen Berater für Wirtschaftsfragen. Nach der Hochwasserkatastrophe vom August 2002 machte er ihn acht Monate später sogar zum Projektkoordinator für die Hochwasser-Schadensabwicklung. Zu diesem Zeitpunkt war bereits bekannt, dass Sehm mit seiner Speditionsfirma Privatinsolvenz anmelden musste.

Sein städtisches Honorar von 2.600 Euro schien ihn kaum darüber hinwegtrösten zu können. Nach bisherigen Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft besserte es Oberbürgermeister Roßberg über eine Scheinfirma auf, bei der Sehm nunmehr für ein Gehalt von 9.396 Euro im Monat angestellt wurde. Das Geld sollte am Stadtrat und vor allem am Insolvenzverwalter vorbei lanciert werden. Sehm hätte seine Einkünfte offen legen und alle über einer Freigrenze liegenden Beträge abführen müssen. Sachsens damaliger Datenschutzbeauftragter hatte schon 2003 Sehms Zugang zu zahlreichen Amtsgeheimnissen beanstandet und damit die Staatsanwaltschaft aufmerksam gemacht. Im Januar 2005 durchsuchte das Landeskriminalamt erstmals das Rathaus. Ein Vierteljahr später wurde erstmals Anklage erhoben, die nach Ermittlungen der sächsischen Antikorruptionseinheit INES noch erweitert wurde.

Ingolf Roßberg wies bislang alle Vorwürfe von sich. Mit Blick auf den bevorstehenden Prozess zog er sich dennoch aus dem Rathaus zurück und wurde Mitte Mai offiziell durch das Regierungspräsidium vom Dienst suspendiert. Laut Meinungsumfragen glaubt eine Mehrheit der Dresdner zwar nicht an Roßbergs Rückkehr, will aber fairerweise das für Juli erwartete Prozessergebnis abwarten. Das scheint für den CDU-Stadtvorsitzenden Lars Rohwer indessen schon festzustehen, der von einer „Schande“ im Jahr des 800. Stadtjubiläums sprach. Die Union stellte prompt eine Findungskommission für einen neuen Bürgermeisterkandidaten zusammen.

Alte Rechnungen werden hier beglichen, denn die CDU hat nicht vergessen, dass das von einem breiten Bündnis getragene FDP-Mitglied Roßberg 2001 ihren Oberbürgermeister Herbert Wagner aus dem Amt warf. Der als autokratisch und beratungsresistent geltende Roßberg hat mittlerweile aber die Unterstützung von Linkspartei, SPD, Grünen und freien Bürgern im Stadtrat weitgehend verloren. SPD-Fraktionschef Peter Lames forderte vor einem Jahr wegen der Korruptionsvorwürfe schon dessen Amtsenthebung. Einen profilierten Nachfolgekandidaten vermag in Dresden derzeit aber keine Partei zu präsentieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen