: „Singlemänner haben auch keine Chance“
Junge Frauen machen eher Karriere als früher. Werden sie dann aber Mütter, ist es wie einst: Die Karriere ist meist vorbei. Daran wird sich nur etwas ändern, wenn die Politik es fördert, meint die Arbeitsmarktexpertin Corinna Kleinert
taz: Frau Kleinert, wir haben eine Kanzlerin und eine neue Familienpolitik, gefühlsmäßig steht den Karrieren von Frauen wenig im Weg. Nun kommen Sie mit einer Studie, die besagt, dass der Frauenanteil an den Führungskräften sich kaum verändert habe. Hat das Gefühl getrogen?
Corinna Kleinert: Das sagen in der Tat unsere Zahlen. Seit 2000 hat sich wenig bewegt. Junge Frauen unter 29 machen zwar eher Karriere als früher. Das Bild ändert sich aber, wenn wir die Frauen ab 30 ansehen, die Kinder bekommen könnten. Der Anteil der Mütter an den Führungskräften ist sogar geschrumpft.
Große Firmen betonen doch gern, dass sie das weibliche Zukunftspotenzial erkannt haben. Alles nur Propaganda?
Den Firmenleitungen ist durchaus bewusst, dass sie in Zukunft um Fach- und Führungskräfte konkurrieren werden. Aber große Unternehmen sind komplex und wandeln sich deshalb nur langsam. Die Führungsetagen bestehen zumeist auch aus älteren Männern, die noch ein ganz anderes Frauenbild haben. Wenn die Spitze da nicht ganz klar sagt: Leute, in fünf Jahren müssen auf dieser Ebene auch Frauen sein, dann passiert wenig.
Karrierefrauen heiraten Karrieremänner, die kaum Zeit für die Familie aufbringen, Karrieremänner dagegen Frauen, die Teilzeit arbeiten. Heiraten die Frauen die falschen Männer?
Die Arbeitsteilung in Partnerschaften von Karrieremännern und Karrierefrauen ist sehr, sehr unterschiedlich, das ist ein Problem. Aber auf der anderen Seite wollen Betriebe auch immer noch den vollständig verfügbaren Menschen. Und zwar gerne den, dem eine Frau den Rücken frei hält. Einen alleinstehenden oder alleinerziehenden Mann setzen Firmen auch nicht gern an eine exponierte Stelle: Da würde ja bei der Abendeinladung die Ehefrau fehlen. Die Führungskräftekultur ist auf Versorgerehen zugeschnitten.
Die Unternehmen selbst finden sich aber sehr flexibel, wenn man die Verkündungen der Verbände ansieht. Irgendetwas passt da nicht zusammen.
Die Unternehmen sind flexibel, wenn es darum geht, Müttern einen Teilzeitarbeitsplatz zu geben. Damit sind die Mütter aber meist auch von Karrierechancen ausgeschlossen. Wer Karriere machen will, muss Vollzeit am Ball bleiben und sollte gerade in den ersten Berufsjahren nicht unterbrechen. Solche Arbeitsverhältnisse müssten Betriebe auch Menschen mit Kindern ermöglichen – aber natürlich auch der Staat mit mehr Kinderbetreuung.
Früher wurden gesetzliche Regelungen angekündigt, falls Betriebe solche Karrieren nicht stärker fördern. Was sollte die Politik tun?
Das ist nicht einfach. Auch MitarbeiterInnen von Firmen stehen gesetzlichen Regelungen sehr skeptisch gegenüber. Viele Frauen sind strikt gegen Quoten. Firmen in den USA stärken zum Beispiel eher den innerbetrieblichen Wettbewerb: Die Leitung gibt ein Ziel vor, und die Abteilungen konkurrieren darum, wer die meisten Frauen in Führungspositionen hat, und bekommen dann einen Bonus.
Aber gerade die USA haben politisch Druck gemacht. Es gibt die Tradition der „Affirmative Action“, um unterrepräsentierte Gruppen zu fördern – und der Staat vergibt Aufträge nur an Firmen, die Antidiskriminierungspolitik betreiben.
Gerade die Vergabepraxis ist ein schönes Beispiel. Es ist ein Anreiz für die Unternehmen: Wenn ihr diese Aufträge haben wollt, müsst ihr was tun, wenn nicht, ist es euer Problem. Hier könnte man also ansetzen.
Hilft denn das neue Elterngeld, das ja die Auszeit für Frauen auch verkürzen soll, weiter?
Es ist zumindest ein Anfang. Es würde aber noch mehr helfen, wenn auch Männer eine Auszeit nehmen würden. Und das wiederum ist eine Frage der Geschlechterkultur. In Schweden ist es normal, dass beide Eltern voll erwerbstätig sind. Deshalb wird auch das Risiko, eine Zeit lang auszusteigen, selbstverständlich auf beide verteilt. In unserem Versorgermodell nehmen wahrscheinlich zum großen Teil Frauen das Elterngeld in Anspruch und sind damit weiterhin die unsicheren Kandidatinnen für Unternehmen.
Die Unternehmer sagen: Wir brauchen keine Gesetze. Der Fachkräftemangel wird den Firmen ab 2010 von allein auf die Sprünge helfen.
Da scheiden sich die Prognosen und die Geister. Es ist ja schon jetzt erstaunlich, dass sich die bessere Bildung von Frauen nicht stärker auf den Arbeitsmarkt auswirkt. In den männlich geprägten Berufen wie dem des Ingenieurs oder Informatikers werden Frauen etwa häufiger arbeitslos als Männer, das konnten wir in Studien zeigen. Sie holen also gerade dort nicht auf, wo Fachkräfte besonders stark gebraucht werden. Ohne Anreize aus der Politik wird sich nur langsam etwas ändern.
INTERVIEW: HEIDE OESTREICH
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