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Studis demonstrieren trotz Niederlage

Im Hamburg beschließt die Bürgerschaft heute die Einführung von Studiengebühren. Trotzdem gehen die Studierenden auf die Straße. Eine Studi-Gruppe hat wieder Blockaden angekündigt. Auch in Wiesbaden wird es eine Großdemonstration geben

„Wir machen uns keine Illusionen. Die Gebühren kommen“

AUS HAMBURG UND BERLIN K. KUTTER UND M. MUCH

Die Studierenden weiten ihre Proteste gegen Semestergebühren aus. Für heute haben die Studis einen bundesweiten Aktionstag für gebührenfreie Bildung organisiert. In Wiesbaden und in Hamburg werden mehrere tausend DemonstrantInnen zu zwei zentralen Großkundgebungen erwartet. Daneben soll es auch wieder Spontanaktionen geben. In der Vergangenheit hatten Studierende Autobahnen oder den Hamburger Hauptbahnhof blockiert.

Den heutigen Tag haben die Studierenden in Hamburg bewusst ausgewählt, um auf die Straße zu gehen. Denn am Nachmittag wird die Hamburger Bürgerschaft aller Voraussicht nach das Studienfinanzierungsgesetz des parteilosen Wissenschaftssenators Jörg Dräger verabschieden. Dadurch werden ab Sommersemester 2007 alle rund 60.000 Hamburger Studis 500 Euro pro Semester zahlen müssen.

„Wir machen uns keine Illusionen. Die Gebühren werden morgen beschlossen“, gibt Fredrik Dehnerdt von der Studierendeninitiative „Offene Gruppe“ zu. Damit sei ein Ziel der Studierenden gescheitert. Allerdings hätte man es durch die Proteste seit anderthalb Jahren geschafft, die Einführung der Semestermaut um ein Jahr zu verschieben. Tatsächlich hatte Hamburg bald nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Januar 2005, dass die Bundesländer Studiengebühren erheben dürfen, eine solche Gebühr zum Sommersemester 2006 angekündigt.

Heute werden Dehnerdts „Offene Gruppe“ und der Asta der Uni Hamburg gemeinsam gegen die Studiengebühren auf die Straße gehen. Doch normalerweise gehen sich beide aus dem Weg, seit sich die „Offene Gruppe“ im Frühjahr vom Asta abgespalten hat. Der unterstützte zwar die Demo, aber organisiert habe er sie nicht, sagt Dehnerdt.

Differenzen zwischen Hamburger Asta und „Offener Gruppe“ gibt es aber auch bei den spontanen Aktionen. Während Dehnerdt und seine Kollegen auch morgen wieder öffentliche Einrichtungen in der Hansestadt blockieren wollen, lehnt der Asta solche Maßnahmen ab. Er will nur demonstrieren.

Auf die Großveranstaltung, die um 14 Uhr beginnt und durch die Hamburger Innenstadt führen soll, wollen auch Vertreter der Grünen und der SPD kommen. Sie sind strikt gegen die Einführung von Studiengebühren, aber in der Hamburger Bürgerschaft hat die CDU eine absolute Mehrheit. Kritik an der mangelnden sozialen Abfederung gab es selbst in der CDU. Zwar hat Wissenschaftsminister Dräger mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ein Darlehensmodell ausgehandelt, das jedem Studierenden einen Kredit garantiert, der erst ab einer bestimmten Einkommenshöhe zurückgezahlt werden muss. Für Studierende aus Nicht-EU-Ländern gibt es jedoch weder einen solchen Kredit noch einen Gebührenerlass. Und die rund 20 Prozent Bafög-Empfänger werden von der Maut nicht befreit und handeln sich damit einen „doppelten Schuldenberg“ ein, wie die SPD-Abgeordnete Barbara Brüning kritisiert. Die hohe Schuldenlast, fürchtet sie, könnte vom Studium abschrecken.

Anders als in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sah das hamburgische Gesetz zunächst auch keine Kappungsgrenze vor, ab der Bafög-Empfänger von der Rückzahlung befreit werden. Erst auf Druck der CDU-Fraktion wurde bei der ersten Lesung des Gesetzes vor drei Wochen eine Obergrenze von 17.000 Euro eingefügt, die allerdings bundesweit die höchste ist. Zum Vergleich: Niedersachsen, das die Gebühr zeitgleich einführt, hat eine Obergrenze von 15.000 Euro. Nordrhein-Westfalen hat mit 10.000 Euro die niedrigste Kappungsgrenze, die gleichauf mit der Höchstrückzahlungsgrenze für Voll-Bafög-Empfänger liegt und diese faktisch von den Gebührenschulden befreit. Eine solche Obergrenze fordert die grüne Abgeordnete Heike Opitz: „Das wäre das Minimum.“

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