: „Alle halten mich für einen Sexualtäter“
Straftäter steht vor Gericht, weil er seine Fußfessel nicht ordnungsgemäß gewartet haben soll
Bei seiner Haftentlassung wurde die elektronische Fußfessel für Rudolf B. zum ständigen Begleiter. Das Gerät hat so oft Alarm ausgelöst, dass der 51-Jährige wieder in den Knast gekommen ist: B. hatte sich wiederholt nicht bei seinem Bewährungshelfer und der Polizei gemeldet. Verstoß gegen die Führungsaufsicht, lautet nun die Anklage. Zu seinem Prozess, der am Montag vor dem Amtsgericht Moabit begann, wurde er aus der Untersuchungshaft vorgeführt.
Die Wartung des Geräts habe ihn überfordert, verteidigt der Anwalt von Rudolf B. seinen Mandaten. B. selbst erklärte, „die Fußfessel erfüllt mich mit großer Scham. Alle halten einen für einen Sexualstraftäter.“
Rudolf B. ist kein Sexualstraftäter. Die Fußfessel hat er in der bayerischen Haftanstalt Straubing bekommen, dort hatte er eine siebeneinhalbjährige Freiheitsstrafe wegen schweren Raubes verbüßt. Das Landgericht Nürnberg-Fürth ordnete bei seiner Entlassung im April 2013 Führungsaufsicht und Tragen der Fußfessel an. Kurz darauf zog Rudolf B. nach Berlin um.
In Berlin gibt es derzeit fünf Fußfesselträger. Drei Zugereiste, darunter B., und zwei aus Berliner Knästen entlassene Straftäter. Anders als in Bayern wird die elektronische Fußfessel in Berlin nur bei Stalkern und Sexualstraftätern angeordnet. „Es geht um Opferschutz“, sagt Justizsprecherin Lisa Jani. Das Wissen um die Fußfessel könne früheren Opfern die Angst nehmen, sagt auch der Leiter der Gemeinsamen Überwachungsstelle der Länder (GÜL), Klaus-Dieter Amthor. Die GÜL kontrolliert über einen zentralen Rechner bundesweit alle Fußfesselträger.
Vor dem Amtsgericht wurde der Bewährungshelfer von Rudolf B. als Zeuge gehört. Er sehe in diesem Fall keine Notwendigkeit eines Opferschutzes, sagte der Sozialarbeiter. Er habe große Zweifel, dass die Fußfessel bei Rudolf B. einen sinnvollen Zweck erfülle. Rudolf B. sei zudem aufgrund seiner dissozialen Persönlichkeitsstörung nicht in der Lage, die Fußfessel sachgerecht zu bedienen, etwa den Akku regelmäßig aufzuladen.
Der Prozess wurde am Montag ausgesetzt. Nun soll B. zunächst von einem psychiatrischen Sachverständigen auf seine Schuldfähigkeit hin begutachtet werden.
PLUTONIA PLARRE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen