Israels Kommando-Operation im Libanon verletzt Waffenstillstand
: Krieg gegen Kritik

Wer noch nicht ganz den Verstand verloren hat, der kann sich nur dem Verdikt des UN-Generalsekretärs Kofi Annan anschließen: Israels Angriff auf den Ort Budai im Norden Libanons ist ein Angriff und keine Selbstverteidigungsoperation. Diese Kommandoaktion gefährdet den Waffenstillstand und die ohnehin zögerliche Stationierung von UN-Truppen im Südlibanon. Die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln offenbart tatsächlich eine Arroganz gegenüber dem Libanon, der arabischen Welt und der internationalen Gemeinschaft, die der israelischen Politik schon viel zu lange eigen ist. Die UN-Resolution stattet Israel eben nicht mit dem Recht aus, die geforderte Entwaffnung der Hisbollah oder die Unterbindung des vermeintlichen Waffenschmuggels auf eigene Faust durchzusetzen und Hisbollah-Führer nach Gutdünken zu töten. Und doch findet sich niemand, der dieser Politik Einhalt gebietet. Die Selbstherrlichkeit der israelischen Politik wäre freilich nicht möglich ohne die blinde Rückendeckung der USA und die hilflose Zweideutigkeit Europas.

Gleichwohl gibt es auch ein innenpolitisches Kalkül, aus dem heraus Israels Militäroperationen ihre legitimatorische Erklärung finden. Die israelische Armee versucht, nachträglich militärische Erfolge zu erzielen, die ihr im vorhergehenden Krieg verwehrt blieben. Regierung und Armeeführung sind angeschlagen, aufgrund der wachsenden Kritik an der Begründung für den Kriegseintritt sowie an der Kriegführung selbst. Die Forderung nach dem Rücktritt von zentralen Figuren in Armee und Regierung will nicht verstummen. Gegenüber der israelischen Öffentlichkeit macht die Armee deshalb aus einer höchst fragwürdigen und wenig geglückten Operation ein großes Heldenepos. Und der Generalstabschef präsentiert gleich noch eine Bilanz des Krieges, die er zum großen Sieg über die Hisbollah umdeutet.

Es sind diese beschönigenden Phrasen, die die Glaubwürdigkeit israelischer Politiker und Militärs mehr und mehr in Frage stellen. Die Diskussion über notwendige Konsequenzen hat in Israel gerade erst begonnen. GEORG BALTISSEN