: Union sagt der Hausfrau leise Servus
Die Vollzeit-Hausfrau war die treueste Wählerin von CDU und CSU. Die Rhetorik der „Wahlfreiheit zwischen Beruf und Familie“ gibt es heute immer noch. Doch in der neuen Familienpolitik von Ursula von der Leyen kommt die Hausfrau kaum mehr vor
Von HEIDE OESTREICH
Die Dame im besten Alter erhebt sich. Gerade hat der CDU-Grundsatzkongress mit Familienministerin Ursula von der Leyen diskutiert. Die Ministerin hat länglich erläutert, dass das neue Familienbild der CDU verschiedene Modelle umfasse: von der Voll-Hausfrau bis zur Karrieremutter. Die Dame aus dem Publikum ist höflich, aber bestimmt: „Wir reden in der CDU immer von Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf. Aber die ist doch gar nicht mehr gegeben! Die Frauen, die nicht arbeiten gehen, was kriegen die denn für eine Rente? Das sollten Sie den Frauen sagen, anstatt immer noch von Wahlfreiheit zu reden. Das ist doch die wirkliche Lebenslüge hier.“
Eine Generation macht sich Luft, die der CDU stets die Treue hielt, deren Lebensplan in der CDU aber plötzlich nicht mehr vorkommt. Junge Familien und deren Bedürfnisse sind gefragt. Das Elterngeld ist genau auf sie zugeschnitten: Nach einem Jahr zurück in den Beruf. „Vergessen Sie uns nicht ganz!“, ruft die Hausfrau der Ministerin zu.
Aber die CDU hat sie schon vergessen. Schon in ihren Familien-Leitsätzen aus dem Jahr 1999 verstörte die Partei ihre älteren WählerInnen: „Gefragt ist heute die möglichst reibungslose Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wer teilweise oder vorübergehend ganz auf Erwerbsarbeit verzichtet, um Familienarbeit zu leisten und Kinder zu erziehen, dem fehlen Beitragszeiten in der Alterssicherung.“ Frauen verzichten „teilweise“ oder „vorübergehend“ – die Voll-Hausfrau gibt’s nicht mehr.
1999 wurden solche Formulierungen noch abgefedert – durch Geld. Mit 600 Euro Familiengeld zog Edmund Stoiber 2002 in den Wahlkampf. Vor der nächsten Bundestagswahl hieß es dann, man strebe einen Steuerfreibetrag von 8.000 Euro für jedes Kind an. Aber nach der Wahl 2005? Da gab es plötzlich eine Familienministerin von der Leyen – und „Elterngeld“. Eine Lohnersatzleistung, die ein Jahr lang währt und nur dann lohnt, wenn die Mutter berufstätig war.
Mitnichten sei das der Abschied von der Wahlfreiheit, versucht sich der familienpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Johannes Singhammer, zu retten: Immerhin bekämen auch Alleinverdiener-Ehen ein „Mindestelterngeld“. Weil die Hausfrau unterstützt gehöre, sei er auch gegen die Abschaffung des Ehegattensplittings. „Davon profitieren nämlich genau die Ehepaare, bei denen Frauen wegen der Kindererziehung später weniger verdient haben als die Männer“, erläutert Singhammer. Und zeigt damit unfreiwillig, dass diese heilige Kuh der CDU nun auch nicht mehr unantastbar ist. Immerhin ist es CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla, der die Debatte um eine Umwandlung des Splittings in Gang gesetzt hat.
Die Talfahrt der klassischen Hausfrauenehe kann dem geduldigsten Parteimitglied zu viel werden. Rita Mayer etwa. „Wissen’s“, sagt sie, „da lacht man nur noch drüber.“ Mayer war ihr Leben lang Bäuerin im Allgäu, sie hat fünf Kinder aufgezogen. Sie leitet die Frauen-Union in Ottobeuren – mit der jetzigen Familienpolitik will sie nichts zu tun haben. „Man redet den Frauen ein, dass sie weniger wert sind, wenn sie nicht im Beruf sind. Dabei brauchen die Kinder doch Nestwärme!“ Die jungen Frauen seien halt anspruchsvoll geworden, sagt sie.
„Es ist eine Generationenfrage“, erklärt auch die Vorsitzende der Frauenunion von Maisach in Oberbayern, Brigitte Gropp. „Die Jüngeren sind von der neuen Richtung angetan“, hat die 70-Jährige beobachtet. Denn die brauchen das Geld aus zwei Berufen, meinte sie. „Wir Älteren sagen immer: ‚Die werden später noch merken, was sie den Kindern damit angetan haben.‘“ Einmischen aber will sie sich nicht mehr: „Das sollen die für sich regeln.“
Das ist wohl auch der Grund dafür, warum die Hausfrauen wenig politischen Druck entfalten: Ihre Familienphase ist vorbei. Und ihre Kinder erwarten von der CDU keine „Wahlfreiheit“ mehr. Sie wollen berufstätig sein und Kinder haben. Der Aufstand der Hausfrauen in der Union, er fällt ersatzlos aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen