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Mit Nationalismus zum Direktmandat

Rund drei Wochen vor den österreichischen Parlamentswahlen wärmt Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider den Streit um zweisprachige Ortstafeln wieder auf. Der Grund: Seine Partei BZÖ hat kaum Chancen, die Vier-Prozent-Hürde zu schaffen

AUS WIEN RALF LEONHARD

„Kärnten wird einsprachig.“ Diese vollmundige Ankündigung überraschte unlängst die Leserinnen und Leser von Kärntner Tageszeitungen. Landeshauptmann Jörg Haider wählte das Inserat für die flächendeckende Bekanntmachung seiner Pläne, die er eine Woche vorher in die Tat umzusetzen begonnen hatte.

Gegenstand von Haiders Vorstoß sind die Ortsschilder im Gebiet, wo die slowenische Minderheit zu Hause ist. Jörg Haider will nicht nur keine zusätzlichen zweisprachigen Ortstafeln aufstellen, er will auch die bestehenden abmontieren und durch einsprachige ersetzen lassen. Unter die Tafel kommt ein kleines Täfelchen mit der slowenischen Ortsbezeichnung. So geschehen bereits in der Gemeinde Bleiburg/Pliberk in Unterkärnten.

Haider, dem der Verfassungsgerichtshof beschieden hatte, dass zweisprachige Schilder aufzustellen seien, beruft sich auf die Straßenverkehrsordnung, die auf mehrsprachige Ortsschilder nicht Bezug nimmt. Eine Anfang Juli erzielte Einigung mit den Slowenenverbänden und dem deutschnationalen Kärntner Heimatdienst wurde nie umgesetzt, weil Haider noch ein Vetorecht der Landesregierung gegen künftige zusätzliche Schilder hineinredigieren wollte.

Im Intensivwahlkampf für die Nationalratswahlen am 1. Oktober setzt Haider neuerlich auf das Hochpeitschen nationalistischer Emotionen. Die Grünen wollen in dem Inserat den Straftatbestand der Verhetzung erkennen und forderten Bundespräsident Heinz Fischer auf, das Bundesheer zur Bewachung der Ortsschilder einzusetzen.

Kommentatoren stufen die neue Kampagne als letztes Strampeln eines Ertrinkenden ein. Denn die von Jörg Haider im Vorjahr gegründete Bewegung Zukunft Österreich (BZÖ) hat allen Umfragen zufolge wenig Zukunft. Die Vier-Prozent-Hürde scheint kaum zu nehmen zu sein. Deswegen setzt man auf ein Direktmandat in Kärnten, wo Haider und seine Partei noch eine gewisse Popularität genießen.

Selbst die ÖVP ist auf Distanz gegangen. In der Kanzlerpartei ist man BZÖ-Chef Peter Westenthaler gram, weil er mit allen anderen Parteien die Wiederwahl der ÖVP-nahen ORF-Generaldirektorin Monika Lindner verhindert hat. Das BZÖ wiederum ortet einen Rachefeldzug der ÖVP, weil der von der Innenministerin geleitete Wahlrat entschieden hat, dass der umstrittene dritte Listenplatz auf dem Wahlzettel der FPÖ zusteht.

Das BZÖ kontrolliert zwar die Mehrheit der 2002 auf dem FPÖ-Ticket gewählten Abgeordneten und stellt die Kabinettsmitglieder, doch das Wahlergebnis wurde unter dem Namen FPÖ erzielt. Ein Richterspruch hat dem BZÖ gleichzeitig untersagt, in der Wahlwerbung das Attribut „Freiheitlich“ zu beanspruchen.

Seither herrscht Eiszeit in der Koalition. Selbst die Pressekonferenzen nach dem Ministerrat werden jetzt getrennt abgehalten. Das BZÖ, das voraussichtlich in vier Wochen nichts mehr zu reden haben wird, will noch Wahlzückerchen verteilen. So konfrontierte Sozialministerin Ursula Haubner den Koalitionspartner Dienstag mit einem Gesetzentwurf, dessen Inhalt vom BZÖ seit Tagen plakatiert wird: 50 Euro Schulstartgeld für alle Schüler, Erhöhung von Heizkostenzuschuss und Pflegegeld. „Das Geld ist da. Ich gehe davon aus, dass die ÖVP dem zustimmen wird“, erklärte Haubner vor dem Ministerrat ungeachtet der Ablehnung, die das schwarze Lager bereits signalisiert hatte.

Die ÖVP ließ den kleinen Partner seine Ohnmacht spüren, indem sie das Thema nicht einmal auf die Tagesordnung setzte. Die formalen Regeln für einen solchen Vorstoß seien nicht eingehalten worden, so Bundeskanzler Wolfgang Schüssel.

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