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„Ohne Baustopp wird es keine Gespräche geben“

PROTEST Ministerpräsident Mappus müsste „Stuttgart 21“ komplett zur Diskussion stellen, fordert der Sprecher der „Parkschützer“ Matthias von Herrmann. Und Vermittler Heiner Geißler sollte als Erstes die Bahn zum vollständigen Bau- und Vergabestopp bewegen

Matthias von Herrmann

■ 37, hat Politik, Volkswirtschaftslehre und Chemie studiert. Er ist Sprecher der „Parkschützer“, die dem Aktionsbündnis gegen „Stuttgart 21“ angehören.

taz: Herr von Herrmann, Ministerpräsident Mappus hat gesagt, dass er zuversichtlich sei, dass es einen Weg zur Versöhnung gibt. Teilen Sie das?

Matthias von Herrmann: Ich teile diese Zuversicht, wenn er versteht, dass es nicht Details wie Blumenbeete oder Baumpflanzungen geht, sondern um eine Alternative zu Stuttgart 21 insgesamt. Zu solchen Verhandlungen sind wir schon immer bereit, deswegen gibt es diesen Widerstand. Der Widerstand gegen Stuttgart 21 befasst sich zum großen Teil mit einer sinnvollen und zukunftsweisenden Ausgestaltung des Bahnknotens, nämlich des Konzepts Kopfbahnhof-21.

Sie sagen, Mappus müsste Stuttgart 21 insgesamt zur Diskussion stellt?

Genau. Offensichtlich haben ihm seine eigenen Berater geraten, dieses Projekt zur Disposition zu stellen. Hätte er sich daran gehalten, dann wären wir heute einen Schritt weiter. So bleiben wir beim Status quo. Der Widerstand wird weiter wachsen.

Glauben Sie, dass Heiner Geißler der richtige Vermittler ist?

Herr Geißler wird eine sehr schwere Aufgabe vor sich haben. Wenn er ein neutraler Vermittler ist, wird er beiden Seiten raten, auf null zu stellen. Er müsste der Betreiberseite einen sofortigen Bau- und Vergabestopp nahe bringen. Es ist wenig hilfreich, wenn hier weiter die Bagger arbeiten und wir gleichzeitig über irgendetwas reden sollen. Das wird es so nicht geben. Wir werden uns unter Leitung von Heiner Geißler mit der Bahn nur an einen Tisch setzen, wenn wirklich alles stillsteht.

Sie sind ohne Baustopp nicht zu Gesprächen bereit?

Das ist richtig, das ist aber auch seit vielen Wochen unsere Position. Es muss dringend ein Bau- und ein Vergabestopp her, sonst machen Gespräche keinen Sinn: Es ist wenig hilfreich, dass die Projektbetreiberseite Tatsachen schafft und uns gleichzeitig an einen Tisch bitten will.

Nehmen Sie Herrn Geißler nicht sofort den Wind aus den Segeln, wenn Sie sagen, dass Sie ohne Baustopp nicht verhandeln werden?

Ich denke, dass das die Projektbetreiber tun, die stur weiterbauen. Bei einer 15-jährigen Planung kann es ja kein Schaden sein innezuhalten. Unter laufenden Baggermotoren kann man nicht sinnvoll reden.

Wann ist bei Ihnen der Punkt erreicht, dass Sie sagen, jetzt akzeptieren wir, dass Stuttgart 21 gebaut wird?

Das ist ein Eins-oder-Null-Spiel, denn wir können den Bahnhof ja nicht halbtief in die Erde legen. Über einen Zeitpunkt, wann wir den Widerstand aufgeben, denken wir zurzeit gar nicht nach, weil über die Hälfte der Bevölkerung in Baden-Württemberg hinter uns steht.

INTERVIEW: INGO ARZT

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