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Wowereits Partnerwahl wird zur Qual

Schwierige Regierungsbildung in Berlin: SPD weiß noch nicht, ob sie Linkspartei oder Grüne zuverlässiger findet

BERLIN taz ■ Eigentlich darf sich Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) aussuchen, mit wem er den künftigen Senat bilden will. Doch die Wahl gestaltet sich schwieriger, als er am Abend der Abgeordnetenhauswahl am 17. September dachte.

Die bisher mitregierende Linkspartei versucht, sich nach ihrer Wahlschlappe stärker auf ihr linkes Profil zu besinnen und freundet sich immer stärker mit der Oppositionsrolle an. Und bei den Grünen ist es die Basis, die nicht ganz so mitspielt, wie es ihre nach Senatsposten drängende Spitze gerne hätte. Inzwischen ist für die SPD-Verhandlungsführer nicht die programmatische Nähe bei der Entscheidungsfindung ausschlaggebend, sondern nur, wer der „zuverlässigere“ Koalitionspartner ist. Sowohl Rot-Rot als auch Rot-Grün hätten nur eine knappe Mehrheit.

Gestern Nachmittag traf sich die SPD zu einer zweiten Sondierungsrunde mit der Linkspartei. Wowereit und sein Fraktions- und Parteichef Michael Müller machten deutlich, dass auch in der nächsten Legislaturperiode die Haushaltskonsolidierung oberste Priorität habe. Seine Partei halte an ihren Schwerpunkten wie Einstieg in eine Gemeinschaftsschule, einen öffentlichen Beschäftigungssektor sowie Ablehnung der Privatisierung von Landesunternehmen fest, betonte hingegen Linkspartei-Landeschef Klaus Lederer. Für ihn sei klar: „Wir werden uns nicht wie ein waidwundes Reh zurückziehen und aufhören Politik zu machen.“

Die Grünen hatten sich bereits am Montag zum zweiten Mal mit der SPD getroffen. Sie traten nicht ganz so vehement für die Gemeinschaftsschule ein. Und das mit der Ablehnung von Privatisierungen handhaben sie auch weniger streng. Und doch könnten sich die Grünen aus Sicht der SPD als unzuverlässiger erweisen. Linke Abgeordnete der Grünen, vor allem aus dem mitgliederstärksten Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg, haben bereits klar gestellt, dass sie einer Koalition mit der SPD nur zustimmen werden, „wenn sich grüne Inhalte sichtbar und überprüfbar im Regierungsprogramm wiederfinden“. Vor allem aber das Gebaren der grünen Spitzenkandidatin Franziska Eichstätt-Bohlig, die am Tag nach der Wahl gleich mehrere Senatorenposten für ihre Partei reklamierte, sorgte für Unmut bei den Sozialdemokraten.

Zu solchen Verstimmungen ist es zwischen den SPD-Verhandlungsführern und der Linkspartei zwar nicht gekommen. Nach der Wahlschlappe, bei der die ehemalige PDS 9,2 Prozentpunkte verlor, will sich die Landesspitze über den künftigen Kurs jedoch zunächst bei ihrer Basis rückversichern, bevor sie in mögliche Koalitionsverhandlungen mit der SPD tritt. Für morgen hat Lederer deswegen einen Sonderparteitag einberufen.

Dieses Prozedere dauert wiederum der SPD-Spitze zu lange. Bereits am Freitag will sie verkünden, mit wem Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden. Auch wenn inhaltliche Übereinstimmungen wichtig für ein Bündnis seien, sagte Müller. Niemand könne ein Interesse an „permanenten Koalitionskrisen“ haben. FELIX LEE

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