: Linke Robbe, rechte Robbe
Mit kleinen Absurditäten versuchen die Bundestagsfraktionen der Linkspartei zu zeigen, dass sie noch immer der Paria im Parlament ist. Selbst beim Tierschutz wird ausgegrenzt
BERLIN taz ■ Es ging um Robben. Diese putzigen, grauen Tiere, bei deren Anblick es jedem, sogar Politikern, das Herz wärmt, wärmen muss. Und so haben alle Fraktionen im Bundestag, von links nach rechts, gemeinsam einen Antrag erarbeitet, in dem sie die Bundesregierung auffordern, sich bei der Europäischen Union für ein Verbot des Handels mit Robbenprodukten einzusetzen. FDP, Union, Grüne, SPD und Linke – vereint für die Robben. So sollte es sein. Am 5. 10. erschien in dieser Zeitung zu dem Thema jedoch folgende Meldung: „Alle Fraktionen bis auf die Linke fordern …“ Das war falsch. Denn: Auch die Linke forderte, nur in einem separaten Antrag. Grund für die Verwirrung: Die Linksfraktion wird systematisch ausgegrenzt, wenn es um die Einbringung gemeinsamer Anträge angeht.
„Die denken wohl, wir seien Kommunisten“, sagte Dagmar Enkelmann, parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion der taz, über das Gebaren der anderen Parteien. Besonders die Koalition neige dazu, so Enkelmann, die Linke von gemeinsam erarbeitenden Anträgen wieder herunterzukegeln. In der Union gebe es „wohl so etwas wie einen Unvereinbarkeitsbeschluss“. Ein Antrag aus dem Juni dieses Jahres zeigt die Absurdität dieser Verhaltensweisen exemplarisch: Union, SPD, Grüne und FDP verlangten von der Bundesregierung, den „politischen Einfluss verstärkt zu nutzen, um den nordugandischen Konflikt zu beenden“. Der Antrag wurde von der Mehrheit im Bundestag angenommen. Einen Antrag der Linken zum selben Thema, mit denselben Forderungen, ja sogar denselben Formulierungen, lehnten die vier Parteien hingegen ab – obwohl der Antrag mit der Nummer 16/1976 bis ins letzte Komma mit Nummer 16 /1973 übereinstimmte, die sie zuvor noch abgenickt hatten. Warum?
„Wir möchten, gerade auch in kleinen Fragen, nicht den Eindruck erwecken, dass wir mit der Linksfraktion zusammenarbeiten“, sagt eine Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion auf Anfrage der taz. Zu persönlichen Stellungnahmen waren die parlamentarischen Geschäftsführer der Union, die Organisatoren des Alltagsbetriebs im Parlament, nicht bereit. Die Sprecherin betonte daher an ihrer Stelle die „grundsätzliche Unterschiedlichkeit der Fraktionen [Union und Linke; Anm. d. Red.]. Deswegen lehnen wir auch Koalitionen mit der Linkspartei ab.“ Auf den Einwand, bei Themen wie dem Robbenschutz oder dem Konflikt in Norduganda sei diese Unterschiedlichkeit wohl kaum von Belang, ging die Sprecherin nicht ein.
Initiator des Robben-Antrags waren die Grünen. Einer ungeschriebenen Regel nach steht ihnen die Entscheidung darüber zu, wer als Antragsteller auf dem Papier steht. Einen entsprechenden Passus dazu gibt es nach Auskunft der Pressestelle des Bundestages in der Geschäftsordnung aber nicht. Bärbel Höhn, in deren Aufgabengebiet der Robben-Antrag fiel, sagte der taz, ihr sei im Zweifel die Mehrheit wichtiger als Einstimmigkeit: „Ich entscheide im Sinne der Sache.“ Zu ihren KollegInnen von der Linksfraktion habe sie ungeachtet dessen aber ein sehr gutes Arbeitsverhältnis. Deswegen wahrscheinlich auch der Entschuldigungsbrief, den das Büro Höhn nach dem Robben-Beschluss an die Linksfraktion schickte.
Das redliche Bemühen der Linken, im Parlament als gleichwertige Fraktion angesehen zu werden, erinnert an die erste Legislaturperiode der Grünen. Damals, 1983, erinnert sich der frühere Abgeordnete Julius H. Kriszan im Gespräch mit der taz, hätte es sehr lange gedauert, ehe man einen Fraktionssaal gestellt bekommen habe. An inhaltliche Blockaden oder Ausgrenzungen kann sich Kriszan aber nicht erinnern. Auch Dagmar Enkelmann kann, im Abgleich zur Vergangenheit, Positives an der Situation der Linken heute entdecken: „Bis 1998 hat man uns gar nicht richtig ernst genommen. Heute ist das anders.“ Eines aber wird sie trotzdem nicht verstehen: „Wieso wir und die Grünen nur einen Stuhl in der ersten Reihe haben und die FDP zwei?“
DOMINIK SCHOTTNER
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