piwik no script img

Das Sonderopfer der Beamten

JUSTIZ Haben Beamte mit hohen Einkommen ein Recht auf dieselben Gehaltserhöhungen wie die Angestellten im öffentlichen Dienst? Die Entscheidung darüber liegt bei den NRW-Verfassungsrichtern

MÜNSTER taz | Können Beamte unter Berufung auf die Schuldenbremse zu Nullrunden bei der Besoldung gezwungen werden? Das muss der Verfassungsgerichtshof von Nordrhein-Westfalen entscheiden. Das Gericht betritt dabei verfassungsrechtliches Neuland.

Die rot-grüne NRW-Regierung hat 2013 beschlossen, die für Angestellte geltenden Tarifsteigerungen nur „sozial gestaffelt“ auf die 400.000 Beamten des Landes zu übertragen. Beamte bis A 10 erhielten die volle Tarifsteigerung von 2,65 Prozent ab 2013 und 2,95 Prozent ab 2014. Dagegen erhielten Beamte mit A 11 und A 12 nur je 1 Prozent mehr. Beamte ab A 13, etwa Richter und Staatsanwälte, mussten sogar zwei Nullrunden hinnehmen. Das Land konnte so 700 Millionen Euro einsparen. 100.000 Betroffene haben dagegen Widerspruch eingelegt.

Am Verfassungsgerichtshof in Münster ging es am Mittwoch um eine Normenkontrolle von 92 Landtagsabgeordneten der CDU, FDP und Piraten. Sie monierten, die Beamten würden nicht angemessen bezahlt. Vor allem gebe es keinen tragfähigen Grund, die Beamten unterschiedlich zu behandeln. Beamte dürften nicht mit Nullrunden von der wirtschaftlichen Entwicklung „abgekoppelt“ werden.

Für die Landesregierung erklärte Rechtsprofessor Michael Droege, Tarifabschlüsse müssten nicht „eins zu eins“ übernommen werden, der Gesetzgeber habe einen weiten Spielraum. Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) berief sich auf die Schuldenbremse, die die Länder verpflichtet, ab 2020 ausgeglichene Haushalte vorzulegen.

Im Mittelpunkt der Verhandlung stand die Frage, warum nur besserverdienende Beamte ein „Sonderopfer“ bringen müssen, so CDU-Fraktionschef Armin Laschet. Finanzminister Walter-Borjans berief sich dabei auf soziale Gründe. Außerdem bekämen gut bezahlte NRW-Beamte gegenüber Angestellten in gleicher Funktion bis zu 20 Prozent mehr Gehalt. Diesen Vorteil habe man etwas abschmelzen wollen. Das Urteil des Landesverfassungsgerichts wird in einigen Wochen verkündet.

CHRISTIAN RATH

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen