: Nicht jede Kultur ist Investition
In einer vorweihnachtlichen Sitzung des Haushaltsausschusses fielen die Finanzierungsanträge der Kulturbehörde in Serie durch. Von einem Haushaltsverstoß sprechen Finanzpolitiker
Von Klaus Wolschner
Zum Ende des Jahrs müssen Bilanzen bereinigt werden, auch bei Vater Staat. So wurde Kulturstaatsrätin Elisabeth Motschmann (CDU) bei der vorweihnachtlichen Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses vorstellig, um 300.000 Euro aus dem Topf des „Anschluss-Investitionsprogramms“ (AIP) für das Überseemuseum loszuschlagen. Nach einer kurzen, heftigen Debatte musste sie mit leeren Taschen abziehen – ein klarer „Haushaltsverstoß“ sei das, was da vor sich gehe, schimpfte die SPD-Finanzpolitikerin Cornelia Wiedemeyer. Unbegründet sei die Forderung, so der Finanzsenator, er dürfe das Geld gar nicht bewilligen.
Denn Investitionsmittel dürfen nach geltendem Haushaltsrecht nur für Investitionen ausgegeben werden, bei denen auch Schätzungen über den „return of invest“ angegeben sind und eventuelle Folgekosten. Das Kulturressort hatte zwar mitgeteilt, die 300.000 Euro würden für die Ausstellung „1001 Nacht“ benötigt. Aber das war ehe eine mit heißer Nadel gestrickte Ausrede: Schon im Mai hatte das Kulturressort genau dieselbe Summe von 300.000 Euro als allgemeines „Haushaltsrisiko“ angegeben, damals ganz ohne Verweis auf die Ausstellung. „Die Ausstellung ist ausfinanziert“, sagt denn auch der Geschäftsführer des Überseemuseums, Dieter Pleyn. So hat er es im Stiftungsrat dargestellt, der nur deshalb sein o.k. für die Sonderausstellung geben konnte. Die 300.000 Euro stehen im normalen Haushaltsplan des Museums, aber nicht im Etat der Kulturbehörde für 2006 – man sehe „gute Chancen“, hoffte die Kulturbehörde noch im Mai, das Defizit durch Einsparungen an anderer Stelle im Etat auszugleichen. Irgendwie. So steht es im Protokoll des Haushaltsausschusses, von der Ausstellung war da keine Rede.
Bei Sonderinvestitionsmitteln gilt zudem die Regel, dass man sie vorher beantragen muss, nicht erst dann, wenn das Geld schon ausgegeben ist. „Etwas spät“ sei man im Kulturressort aufgewacht, heißt es im Finanzressort und mahnt eine „aussagefähige Vollkostenrechnung“ für das Museum an. Seit November gibt es einen heftigen Briefwechsel zwischen Finanz- und Kulturbehörde, die Qualität der Anträge habe sich in der Zeit aber nicht verbessert.
Das finanzielle Gewurschtel des Kultursenators verstößt also unter verschiedenen Gesichtspunkten gegen Haushaltsrecht. Dass man für den laufenden Betrieb 300.000 Euro mehr brauche als im Mai zur Verfügung gestellt, das sei immer klar gewesen, sagt Überseemuseums-Geschäftsführer Pleyn. Dass der Kultursenator das Geld nicht ordentlich im Haushalt angemeldet hat, ist nicht seine Verantwortung. Aber da sein Konto leer ist, musste die Kulturbehörde noch kurzfristig über Weihnachten 100.000 Euro rüberschieben, aus „Haushaltsresten“. Die fehlenden 200.000 Euro werden als Problem ins neue Jahr hinüber geschleppt. Ähnlich wie die Finanzierungsprobleme für Kammerphilharmonie und Philharmonisches Staatsorchester.
Die Lücke beim Überseemuseum war nicht das einzige Problem, über das die Kulturstaatsrätin vor Weihnachten gestolpert ist. Für die EuropaChorAkademie (ECA) wollte sie 200.000 Euro aus dem AIP-Topf haben. Auch da, widersprachen die Finanzexperten, sei nirgends in dem Antrag dargestellt, wieso die Förderung dieser Einrichtung eine notwendige und ertragreiche Investition für den klammen Standort Bremen sei. Außerdem sei das Verhältnis von Einnahmen durch Kartenverkauf und hohen staatlichen Zuschüssen (rund 1:6) nicht nachvollziehbar. Und schließlich fehlt eine Erklärung dafür, dass laufende Zuschüsse für die ECA in diesem Fall nicht konsumtiv verbucht werden, sondern aus einem Investitionstopf genommen werden sollen. Nur in einem Punkt gibt es aus sicht der Finanzbehörde einen kleinen Lichtblick: Das Geld war für das Jahr 2007 beantragt, also noch nicht ausgegeben. Und so bleibt Zeit für Nachbesserungen.
Gescheitert ist auch ein anderer Antrag: Für das neue Strukturkonzept der Kultur in Bremen-Nord sollte Geld bewilligt werden, „Anlaufkosten“ hieß es in der Begründung. Das klingt jedenfalls nach Investition. Allerdings waren da unter anderem Beratungskosten für die neue Kultur-GmbH für 2007 aufgelistet, wo doch der Zeitung zu entnehmen war, dass die Kultur-Nord-GmbH längst in 2006 gegründet ist. Wie können dafür in 2007 noch Beratungskosten anfallen, die nicht laufende Kosten sind? Einige Mitglieder im Haushaltsausschusses wussten auch aus anderen Quellen, dass da ein großes Startfest mit CDU-Prominenz mitten im Wahlkampf geplant ist – das hat die Bereitschaft des Gremiums, in der beantragten Summe eine Investition zu sehen, nicht gerade gefördert.
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