piwik no script img

Dioxinschweine werden durch Mästen entgiftet

FUTTERMITTEL Belastetes Schweine- und Hähnchenfleisch aus Niedersachsen landet legal auf dem Teller

HAMBURG taz | Niedersachsen hat eine Lösung für dioxingeplagte Agrarbetriebe gefunden. Obwohl 140 Schweine aus dem niedersächsischen Langwedel (Kreis Verden) nachweislich mit dem Umweltgift belastet sind, soll ihr Fleisch bald ganz legal auf den Tellern der Verbraucher landen. Das bestätigte das niedersächsische Landwirtschaftsministerium am Mittwoch der taz.

Der Trick: Jungschweine, die dioxinbelastetes Futter bekommen haben und nun selbst die Grenzwerte für den unbedenklichen Verzehr übertreffen, sollen so lange mit unbelastetem Futter gemästet werden, bis sich das angereicherte Dioxin auf so viel Schweinemasse verteilt, dass die Grenzwerte unterschritten werden. Je mehr Fett, desto weniger Dioxin, lautet die Devise.

„Das Fleisch gilt dann als unbelastet und ist anderem Schweinefleisch gleichzustellen“, betont Ministeriumssprecherin Natascha Manski. Zugleich deutet sie an, dass das Verdener Modell keine Insellösung sei: „Allen Landwirten steht es frei, so zu verfahren.“ Das gelte auch für die zahlreichen Hähnchenmast- und Legehennenbetriebe des Landes.

Die niedersächsischen Grünen finden das keineswegs einleuchtend. Ihr Vizefraktionschef Christian Meyer spricht von einer „unappetitlichen Dioxinverpanschung“. Meyer betont: „Es ist nicht nachvollziehbar, warum das Verdünnen von Dioxin im Futter streng verboten ist, im Schwein aber erlaubt sein soll.“

Der grüne Landtagsabgeordnete spricht in diesem Zusammenhang von „einem erneuten Sieg der Schweinelobby gegen den Verbraucherschutz“ und wirft Agrarminister Gert Lindemann (CDU) vor, „gegen den Verbraucherschutz zu handeln“.

Hedi Grunewald, Lebensmittelexpertin der niedersächsischen Verbraucherzentrale, kann solche Bedenken „nicht nachvollziehen“. Aus lebensmittelrechtlicher Perspektive sei gegen das Inverkehrbringen von Fleisch, dass die Dioxingrenzwerte nicht mehr überschreitet, „nichts einzuwenden“. Zudem schreibe der Tierschutz vor, dass „Tiere nicht ohne vernünftigen Grund getötet“ werden dürften. Die Aufregung der Grünen sei deshalb „nicht in Ordnung“.

Das sehen andere anscheinend anders. Nach einem Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung hatten die zuständigen Behörden versucht, das Verdener Dioxinfleisch, das jetzt in den Handel kommen soll, anders zu verwerten – sie boten es mehreren Tierparkbetreibern an, etwa zur Löwenfütterung. Die aber lehnten das freundliche Angebot unisono dankend ab.

MARCO CARINI

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen