: Konflikt mit alten Karlsruher Urteilen
DIÄTEN Funktionszulagen und die automatischen Erhöhungen widersprechen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
FREIBURG taz | Falls der Bundespräsident das Diätengesetz unterzeichnet und dem Bundesverfassungsgericht die Prüfung überlässt, ist keineswegs sichergestellt, dass Karlsruhe das Gesetz tatsächlich prüfen kann. Denn das Bundesverfassungsgericht kann nur tätig werden, wenn es eine zulässige Klage gibt.
Eine abstrakte Normenkontrolle ist nicht zu erwarten. Bundes- und Landesregierungen werden keinen entsprechenden Antrag stellen. Genügen würde zwar ein Viertel der Bundestagsabgeordneten, aber die Opposition hat derzeit nur knapp 20 Prozent der Sitze inne. Die Absenkung des Antragsquorums auf ein Fünftel der Abgeordneten wurde von der Großen Koalition im Frühjahr abgelehnt.
Möglich ist aber wohl ein Organstreit. So könnten einzelne Abgeordnete klagen, dass die Funktionszulagen für Ausschussvorsitzende die Rechte der einfachen Abgeordneten beeinträchtigen. Außerdem könnten Abgeordnete rügen, dass sie ihre Pflicht nicht erfüllen können, über jede Änderung der Diäten selbst zu entscheiden.
Erfolgversprechend wären solche Klagen aber nur teilweise. Im Jahr 2000 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Funktionszulagen auf „besonders herausgehobene politisch-parlamentarische Funktionen“ wie Fraktionsvorsitzende zu begrenzen sind. Funktionszulagen für Ausschussvorsitzende, wie jetzt beschlossen, wurden in diesem Urteil, das den Thüringer Landtag betraf, ausdrücklich für verfassungswidrig erklärt. Wenn es für zu viele Ämter Zulagen gebe, entstehe die Gefahr, „dass das parlamentarische Handeln am Leitbild einer ‚Abgeordnetenlaufbahn‘ und dem Erreichen einer höheren Einkommensstufe ausgerichtet wird“, hieß es damals zur Begründung.
Der zweite rechtliche Streitpunkt – der Automatismus zur Erhöhung der Diäten – könnte einem Karlsruher Urteil von 1975 widersprechen. Damals verbot das Gericht dem saarländischen Landtag die Koppelung der Diäten an Beamtengehälter. Das Parlament müsse über „jede Veränderung in der Höhe der Entschädigung im Plenum diskutieren und vor den Augen der Öffentlichkeit darüber als einer selbstständigen politischen Frage entscheiden.“ Allerdings sehen inzwischen auch die meisten Landesgesetze eine Indexierung der Diäten vor. Offensichtlich geht man davon aus, dass Karlsruhe heute nicht mehr so streng entscheiden würde. Das Grundgesetz macht keine ausdrücklichen Vorgaben. CHRISTIAN RATH
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