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Versicherungspflicht für alle kommt

Bundestag verabschiedet Gesundheitsreform mit Gegenstimmen auch von Union und SPD. Künftig darf niemand mehr aus seiner Versicherung aussteigen, wenn er nicht eine andere vorweisen kann. Sozialtarif für ehemalige Privatversicherte

AUS BERLIN ANNA LEHMANN

Der Gesundheitsexperte der Unionsfraktion Wolfgang Zöller (CSU) sprach allen aus den Herzen: „Nehmen Sie es mir bitte ab, ich bin froh, wenn diese Debatte heute beendet ist.“ Diese Einführung Zöllers beklatschten die Abgeordneten aller Bundestagsfraktionen, doch vor ihnen lagen zu diesem Zeitpunkt noch drei weitere Stunden der parlamentarischen Aussprache. Gestern wurde in Berlin die Gesundheitsreform in zweiter und dritter Lesung beraten und am Ende mit erwartet großer Mehrheit angenommen.

Wenn am 16. Februar auch der Bundestag zustimmt, ist die Reform über die Bühne und kann im April in Kraft treten.

Als sich die Fachpolitiker der Regierungsparteien CDU, CSU und SPD vor einem Jahr zu ersten Verhandlungen trafen, schwebte allen noch eine große Reform des Gesundheitswesens vor. Vor allem die wackelige Finanzierung des 450 Milliarden Euro schweren Gesundheitssektors sollte auf sichere Füße gestellt werden. Weil aber die Regierungspartner entgegengesetzte Vorstellung davon hatten, wie dies zu bewerkstelligen sei, einigten sie sich darauf, zunächst die Beiträge zu erhöhen und die umstrittenen Punkte erst im Jahre 2009 einzuführen.

Dazu gehören der Gesundheitsfonds – jene Geldsammelstelle für Beiträge und Steuern –, die Honorare der Ärzte und Veränderungen bei der Privaten Krankenversicherung. Für die Mehrzahl der Versicherten wird sich ab 1. April zunächst wenig ändern. Sie können unter anderem neue Tarife wählen, etwa mit Selbstbeteiligung oder speziell für Naturheilverfahren. Nichtversicherte, die früher gesetzlich versichert waren, können ab April in die gesetzlichen Kassen zurückkehren. Ehemalige Privatversicherte dürfen sich bei den privaten Kassen ab Juli zum Sozialtarif versichern. Im Jahre 2009 soll eine Versicherungspflicht für alle gelten, das heißt, wer dann bei seiner Kasse kündigt, muss eine gleichwertige Versicherung nachweisen. SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt bezeichnete dies in ihrer Rede als entscheidenden sozialpolitischen Durchbruch.

Doch einige Parteifreunde mochten ihrer Einschätzung nicht folgen: 43 der 206 Gegenstimmen kamen aus den Reihen der Koalition, 20 davon aus der SPD. Abgeordnete wie Wolfgang Wodarg und Karl Lauterbach, die sich gestern mit roten Neinkärtchen zur Urne schoben, hatten ihre Ablehnung vorher angekündigt. Das so genannte Wettbewerbsstärkungsgesetz beinhalte vor allem den Wettbewerb um die Einkommen der Versicherten, kritisierte Lauterbach gegenüber der taz.

Die Oppositionsfraktionen warfen der großen Koalition Pfusch auf allen Ebenen vor. Den Liberalen ist die Reform zu sozialistisch, den Linken zu unsolidarisch. Einträchtig erbittert fielen die Abgeordneten von FDP, Grünen und Linkspartei, die im Gesundheitsausschuss vertreten sind, über die Kollegen aus Union und SPD her. Die Ausschussmitglieder hatten den Gesetzentwurf in dieser Woche in die Endfassung gebracht, doch über 80 Änderungsanträge hatten die Regierungsfraktionen den Kollegen von der Opposition erst in der Nacht vor der letzten Ausschusssitzung geschickt. „Das war ein unglaublich schlechtes parlamentarisches Verfahren“, kritisierte die Grünen-Abgeordnete Britta Haßelmann.

Trotz heftiger Attacken, die Auswirkungen der Reform werden die Parlamentarier nur sehr gedämpft spüren. Darauf wies der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Frank Spieth, hin. Nicht einmal die Hälfte von ihnen ist gesetzlich versichert. Und jene, die in einer gesetzlichen Kasse sind, müssen nicht den vollen Beitrag zahlen, denn Beiträge werden nur bis zur Grenze von 4.000 Euro berechnet, darüber hinaus nicht mehr.

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