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Gewalt eskaliert

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Lange hat der palästinensische Waffenstillstand nicht gehalten. 21 Personen, zumeist Aktivisten der Fatah, fanden bis gestern Nachmittag bei erneuten blutigen Auseinandersetzungen im Gaza-Streifen den Tod. Mehr als 200 Menschen wurden verletzt.

Die Islamische Universität blieb über Stunden in dicke Rauchwolken gehüllt, nachdem Fatah-Kämpfer auf das Gelände vordrangen, das als Hochburg der Hamas gilt. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas will am kommenden Dienstag zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen mit dem Chef des Hamas-Politbüros Chaled Meschal zusammenkommen. Noch gestern einigten sich beide Fraktionen prinzipiell auf eine erneute Waffenruhe.

Der saudische König Abdullah hatte schon vor einer Woche seine Einladung an Abbas und Meschal zu einem Gipfeltreffen in Mekka ausgesprochen, auch um beide Seiten zu weiteren Verhandlungen über ein nationale Einheitsregierung zu bewegen. Erst am Montag hatten sich Fatah und Hamas mithilfe ägyptischer Vermittlung auf die Waffenruhe verständigt, die seit Dienstag früh in Kraft war.

Der Chef der Sicherheitsdelegation aus Kairo, General Burhan Chamad, machte gestern die Hamas für das Scheitern der Waffenruhe verantwortlich. „Die Angreifer der Lastwagen sind am Blutvergießen schuld“, sagte er und bezog sich auf den Überfall, den Mitglieder der offiziellen Sondertruppen der Hamas auf mehrere Lastwagen verübten, die offenbar mit Waffen für die Fatah beladen waren.

Sieben Angehörige der Sicherheitskräfte, die der Fatah nahe stehen, kamen bei der Schlacht, die sich unmittelbar am Grenzübergang nach Ägypten ereignete, ums Leben. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen breiteten sich in der Folge wieder auf den gesamten Gaza-Streifen aus.

Nach Berichten der Hamas begannen die Waffenlieferungen bereits am Dienstag. Die von den USA finanzierten Gewehre, Granaten und Munition seien vom Golf aus nach Ägypten verschifft und von dort auf Lastwagen in den Gaza-Streifen weitertransportiert worden. Premierminister Ismail Hanijeh (Hamas) hatte die Fatah aufgefordert, die US-amerikanische Militärhilfe in Höhe von 86 Millionen Dollar abzulehnen. Die Gewehre seien nichts anderes als der Versuch, so behauptete Hanijeh, den innerpalästinensischen Konflikt zusätzlich anzustacheln. US-Außenministerin Condoleezza Rice wehrte sich im Verlauf ihrer jüngsten Nahostreise gegen den Vorwurf und verwies auf die Osloer Prinzipienerklärung, die die Finanzierung der palästinensischen Sicherheitskräfte, inklusive Ausrüstung und Ausbildung, festhält.

Die Hamas ihrerseits rüstet mit iranischer Hilfe lebhaft auf. Die Sicherheitsleute der Fatah, die in die Islamische Universität vordrangen, konfiszierten, eigenen Aussagen zufolge, 1.400 Gewehre und zahlreiche Raketen. Außerdem wurden angeblich sieben iranische Waffenexperten auf dem Gelände der Lehranstalt festgenommen, was die Hamas jedoch zunächst abstritt. Ein achter Iraner soll während der Razzia Selbstmord begangen haben.

Im Schatten des Blutvergießens unternimmt das sogenannte Nahostquartett, bestehend aus den USA, den Vereinten Nationen, der Europäischen Union und Russland, am Wochenende einen Neustart der Friedensbemühungen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier drängt seit Monaten auf stärkeres Engagement im Nahen Osten.

In Israel und den Palästinensergebieten wird das Treffen in Washington mit einiger Skepsis beobachtet.

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