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SPD-Klima-Rebellen kritisieren Kanzlerin

Mit der Klimadiskussion im Rücken fordern Umweltpolitiker der SPD radikale Maßnahmen für mehr Umweltschutz: Kohlekraftwerke sollen verboten, Energiekonzerne zerschlagen und eine weltweite Kohlendioxid-Steuer eingeführt werden

VON NICK REIMER

Die SPD macht mehr Druck beim Klimaschutz: Der geschäftsführende Vorstand der Bundestagsfraktion diskutierte gestern auf seiner Sitzung ein Papier des Umweltflügels, das einen radikalen Politikwechsel vorschlägt. „Wissen und Technologien sind vorhanden, die Politik muss jetzt Rahmenbedingungen für konsequenten Klimaschutz festlegen“, heißt es in dem Papier, das der taz vorliegt. Unter „konsequent“ verstehen die Autoren unter anderem ein Verbot von Kohlekraftwerken, eine Zerschlagung der Energiekonzerne, eine weltweite Kohlendioxid-Steuer oder ein neues Gesetz für erneuerbare Energien – diesmal für Wärme.

120 Gramm Kohlendioxid je Kilometer: Die Umweltpolitiker der SPD schließen sich dieser Forderung der EU-Kommission nach dem deutlich reduzierten CO2-Grenzwert für Neuwagen an. Sie wollen ihn über die gesamte Fahrzeugflotte gesetzlich festschreiben. „In der EU könnten so 3,7 Milliarden Liter Benzin und Diesel eingespart werden.“ Noch in der vergangenen Woche hatte Bundeskanzerlin Angela Merkel erklärt, diesen Grenzwert „mit aller Härte“ zu verhindern.

Die SPD-Umweltpolitiker wollen auch die Oligopolmacht der deutschen Stromkonzerne brechen. Dazu soll das Übertragungsnetz der Stromkonzerne in eine „unabhängige Betreibergesellschaft“ überführt werden. Der Konflikt ist vorprogrammiert: Angela Merkel hat bereits erklärt, dass eine solche Zerschlagung der deutschen Stromkonzerne mit ihrer Union nicht zu machen sei. Die SPD solle sich für ein Gesetz einsetzen, dass fossile Kraftwerke ab 2020 verbietet, wenn sie nicht Kohlendioxid abscheiden. „Noch ist aber nicht geklärt, ob die Technologie wirtschaftlich realisierbar ist“, heißt es. Eine klare Drohung an die Stromkonzerne beim aktuellen Zertifikate-Poker: „Die Preise im Emissionshandel geben kein Signal“, dass die CCS genannte CO2-Abscheidetechnik (Carbon Capture and Storage) wirtschaftlich zu betreiben sei.

Mehr Effizienz, mehr regenerative Energien, mehr Kraft-Wärme-Kopplung, mehr Biokraftstoff – neben politischen Zielen formulieren die Umweltpolitiker aber auch Wege, dies zu erreichen. „Die Erfolgsstory des Erneuerbaren Energiengesetzes im Stromsektor kann im Bereich der Kälte- und Wärmeerzeugung durch ein neues Gesetz für nachhaltig produzierte Wärmeenergie wiederholt werden.“ Noch in diesem Jahr solle dieses Gesetz beschlossen werden, „damit es zum 1. 1. 2008 in Kraft treten kann“.

Globaler Umweltschutz dürfe jedoch nicht auf Kosten der Entwicklungsländer praktiziert werden: „Es ist illusorisch, für Schwellen- und Entwicklungsländer schon heute feste Obergrenzen zu verlangen, so lange die industrialisierte Welt noch nicht gezeigt hat, dass Wohlstand und Klimaschutz miteinander vereinbar sind“, heißt es in dem Papier. Statt die Länder also in ein Kioto-Regime einzubinden, wird eine Art Welt-Zertifikate-Handel vorgeschlagen: Länder, die mehr Kohlendioxid ausstoßen, als sie Verschmutzungsrechte haben, sollen dafür zahlen müssen. Das Geld wir dann in Klimaschutzprojekte investiert.

Dass es der Umweltflügel der SPD ernst meint, machte gestern SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber deutlich: Ungewöhnlich deutlich kritisierte er die Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Die Signale, die da in den letzten Wochen vor allem von Frau Merkel gegeben wurden, waren nicht gut“, sagte Kelber gestern der Frankfurter Rundschau. Es müssten endlich überfällige Klimaschutzprojekte angeschoben werden, „die von einigen Unionsleuten hinter den Kulissen verzögert werden.“

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