piwik no script img

„Es geht um den Weg, nicht um das Ziel“

Der Streit um die Umweltpolitik tut den Grünen gut, meint die umweltpolitische Sprecherin Kotting-Uhl

taz: Frau Kotting-Uhl, die Grünen streiten mal wieder um die richtige Umweltpolitik. Worum geht es?

Sylvia Kotting-Uhl: Es geht um die Klimaschutzpolitik der Grünen. Wir streiten uns nicht um das Ziel, sondern um den Weg dahin. Ein Teil der Partei sagt, wir müssen zu 100 Prozent auf regenerative Energien setzen und brauchen eine Konzentration der Forschungsmittel dort. Der andere Teil sagt: Für wirksameren Klimaschutz müssen wir auch Übergangstechnologien einbeziehen – etwa Kohlekraftwerke. Dieses Lager wird von Reinhard Loske angeführt und der Spitze der Bundestagsfraktion unterstützt.

Als die Grünen 2005 eine Position zur Atommüll-Endlagerung suchten, brüskierte die Fraktion ihren profiliertesten Umweltpolitiker derart, dass Loske sich zurückzog. Ist das jetzt Widergutmachung?

Darum geht es nicht. Damals war der Arbeitskreis Umwelt geschlossen Loskes Meinung – gegen die Fraktion. Diesmal aber ist der AK Umwelt gespalten. Es geht also nicht um das Renomee einzelner Politiker, sondern um den richtigen Weg, die größte Herausforderung unserer Zeit zu meistern.

Kritiker sagen, Realos wie Fritz Kuhn stützen Loske nur, weil sie ein neues „Fünf-Mark-fürs-Benzin“-Signal fürchten.

Dieser Vergleich stimmt einfach nicht! Mit dem 5-Mark-Beschluss haben die Grünen die Verbraucher bedroht – und bei den Wahlen dafür die Quittung bekommen. Diesmal geht es um die Kohlewirtschaft: Die Befürworter des Antrags von Hans-Josef Fell – zu denen ich auch gehöre – bedrohen die Kohlekonzerne. Sie setzen auf dezentrale, erneuerbare Energiestrukturen, also den Verzicht auf Großtechnologien. Das ist im Sinne des Verbrauchers.

Das sieht Loske anders.

Ich jedenfalls halte diese inhaltliche Auseinandersetzung auf dem Parteitag für gut. Die Bevölkerung war schon immer der Meinung, dass von den Grünen beim Thema Umwelt immer dasselbe kommt. Das ist jetzt zum ersten Mal seit langer Zeit nicht mehr so.

Wer wird sich durchsetzen?

Ich glaube, dass in großen Teilen der Basis nach Jahren an der Regierung ein Bedürfnis nach neuen Visionen da ist. Diese Visionen sollten Lust machen, wieder mehr an ökologiepolitischen Themen zu arbeiten. Ich könnte mir vorstellen, dass die Basis für diesen Weg kämpfen will. INTERVIEW: NICK REIMER

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen