: Normalos, Skins und Familien
FUSSBALL Trotz der 0:3-Niederlage des BFC Dynamo Berlin gegen Hertha II waren beim Spiel wenig alkoholisierte, grölende oder pöbelnde Fans zu sehen. Linke Anhänger halten die rechte Fanproblematik dennoch für ungelöst
■ Nach 14 Jahren in der Oberliga oder niedrigeren Spielklassen spielt der BFC Dynamo Berlin erstmals wieder in der Regionalliga, in der mit Viktoria Berlin, dem Berliner AK, Babelsberg, Union II und Hertha II fünf weitere Teams aus der Region antreten.
■ Mit zwei Unentschieden und einer Niederlage startete das Team von Trainer Volkan Uluc in die neue Saison und steht nun nach dem dritten Spieltag zunächst auf Rang 15, einem Abstiegsrang.
■ Der finanzielle Aufschwung des Vereins, dessen Etat in dieser Saison bei 1,6 Millionen Euro liegen soll, ist mit Peter Meyer und dessen Telekommunikationsfirma Infinity verknüpft. (jut)
VON JENS UTHOFF
T-Shirts in Weinrot dominieren bei den Anhängern, die sich in Richtung S-Bahn Eberswalder Straße bewegen. Weinrot, das ist die Farbe des Fußballklubs BFC Dynamo Berlin. Man sieht Familien, man sieht Skins, man sieht aufgepumpte Männer mit breitem Kreuz, man sieht Normalos, die sich nun, am frühen Sonntagabend, langsam vom Jahnsportpark entfernen. Ihr Klub, der „BFC“, wie ihn alle nur nennen, hat verloren. Null zu drei. Gegen Herthas Zweite. Im Lokalderby.
Einige Fans biegen nun noch ab: „Jehn wa noch inne Kneipe?“ Es sind wenige total alkoholisierte, wenige grölende oder pöbelnde Fans zu sehen und zu hören, wie dies nach Spielen gerne mal üblich ist. Nein, man merkt nicht unbedingt, dass ihr Klub gerade eine deprimierende Pleite gegen einen innerstädtischen Konkurrenten erlebt hat. Kurz zuvor sangen diese Fans noch gemeinsam mit den insgesamt gut 2.000 Fans im Stadion: „Der BFC ist wieder da!“
Ja, der BFC ist also wieder da – in Liga vier, der Regionalliga. Und mit ihm eine Fan-Klientel, die immer noch als problematisch gilt. Soll man drei Schlagworte zum BFC nennen, so lauten diese auch heute noch oft: Stasi, Hools, Nazis. In den 90ern und nuller Jahren gab es enge Verbindungen zwischen rechter Szene auf der Straße und der BFC-Fanszene, es gab gehäuft Übergriffe von BFC-Fans gegen Migranten oder Punks. Nun aber wirkten die Fans über die 90 Minuten und darüber hinaus wie allerorts: Anhänger, die ihr Team unterstützen, aber darüber hinaus wenig auffällig werden.
Sportlich lief es dabei für den zehnmaligen DDR-Meister, der immer noch eine breite Anhängerschaft insbesondere im Osten der Stadt hat, bis zuletzt blendend. Der BFC stieg in der Vorsaison mit 34 Punkten Vorsprung auf - und der in Hohenschönhausen beheimatete Klub will mittelfristig mehr erreichen: „Unser Weg ist noch nicht abgeschlossen“, sagt Trainer Volkan Uluc, „wir wollen uns erst mal in dieser Liga etablieren, um dann weiter nach oben zu gucken.“
Nicht wenige trauen dem Verein zu, zur Nummer drei hinter Union und Hertha zu werden und schon bald mit einem weiteren Aufstieg wieder Profifußball zu spielen. Nun, zur neuen Spielzeit, tritt der BFC auch wieder im größeren Stadion im Jahnsportpark an, nicht mehr im Sportforum in Hohenschönhausen. Erstmals seit 1992 kickt Dynamo wieder hier. Höchste Zeit also, dem Klub eine neue Chance zu geben und die Klischees ad acta zu legen?
Klischees, schön wär’s. Spricht man mit linken Anhängern des BFC, so sehen sie zwar eine positive Entwicklung – die Rechten seien nicht mehr dominant in der Kurve. Dass damit aber die Fanproblematik gelöst sei, wollen sie noch nicht so recht glauben. Zumal man ja nicht wisse, was die eine oder andere Clique nach dem Stadionbesuch so treibe. Ein weiterer Fan, politisch auch eher links zu verorten, traut dem Fanfrieden da schon eher: „Ich habe es zuletzt immer als sehr entspannt erlebt“, sagt der Anhänger, der ebenfalls namentlich nicht genannt werden will. Blickt man sich während des Spiels unter dem Tribünendach um, sieht man eine weitaus heterogenere Szene, als man sie vielleicht erwartet hätte. Zwei Kids, offenbar Jugendspieler, tippen auf ihren Smartphones herum; Fans mit Shirts von Punk- und Ska-Bands stehen über den Sitzplätzen am Geländer. Vor ihnen sitzt eine Familie mit vier Kindern, und ein paar Meter weiter peitscht der Vorsänger der Ultras – mit weinrotem Pullover und Bart – seine Fangruppe an.
Offensichtlich rechts codierte Kleidung sieht man wenig – ein einziges T-Shirt der rechten Hooligan-Band „Kategorie C“ ist zu sehen. Viele tragen hingegen Klamotten mit altdeutscher Schrift, es sind auch mehr Skins als in anderen Stadien (ohne dass man sie äußerlich politisch zuordnen könnte). Am Zaun hängt ein Banner, auf dem in Frakturschrift „Euer Hass macht uns stärker! Kameradschaft weinrotes Ost-Berlin“ gemalt ist – dieser Fanclub allerdings grenzt sich in Foren und auch nach Aussagen anderer Fans von rechter Gesinnung ab. Logos oder Banner der „Legion Germania“, einer Fanvereinigung von Lok Leipzig, dem BFC Dynamo und Lazio Rom, die zuletzt mit rassistischen und faschistischen Gesängen in Hannover auffällig geworden waren, findet man dagegen nicht im Stadion. Diskriminierende Äußerungen sind weder vor, während oder nach dem Spiel zu hören.
Der Verein weiß indes, wie schwer es ist, das alte Image loszuwerden: „Ich glaube, auch da sind wir auf einem guten Weg“, sagt Trainer Uluc. Der 44-Jährige betont, dass ihm das Drumherum genauso wichtig sei wie das Sportliche: „Wenn wir irgendwann in die dritte Liga wollen, dann wollen wir da nicht nur sportlich hingehören, sondern auch vom Umfeld her.“
Ende vergangenen Jahres hatte sein Klub Stadionverbote gegen Anhänger verhängt, die Spieler des türkischen Vereins Hürtürkel rassistisch beleidigt hatten – eine Konsequenz, wie man sie von diesem Klub vielleicht nicht erwartet hätte. Mit dieser Härte müsse man weiter vorgehen, so Uluc weiter. Er sagt aber auch, man reite ja gerade noch auf einer Erfolgswelle – richtig auf den Prüfstand gestellt werde das Fan-Verhalten erst, wenn es im Klub mal wieder richtig kriseln sollte.
Berücksichtigen sollte man vielleicht auch, dass die brisanten Duelle gegen Babelsberg und auch gegen die Zweite von Union, den alten Erzfeind, erst noch anstehen. So lange bleiben die Fans des Fußballklubs erst mal noch auf Bewährung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen