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Ein bisschen FriedenspolitikKOMMENTAR VON BETTINA GAUS

Es hätte für die SPD viele Gelegenheiten gegeben, friedenspolitische Initiativen zu ergreifen und damit zu zeigen, dass sie das Thema nicht nur unter dem Aspekt der Wählerwirksamkeit für wichtig hält. Um eines von vielen Beispielen zu nennen: Die sozialdemokratischen Minister mussten das sicherheitspolitische Weißbuch, in dem ökonomische Interessen als legitimer Kriegsgrund festgeschrieben werden, nicht einfach durchwinken. Sie hätten die Auseinandersetzung darüber suchen können. Diese und andere Chancen wurden verpasst. Es wird weitere sicherheitspolitische Fragen geben, über die mit dem Koalitionspartner zu streiten sich lohnt. Der von den USA geplante Raketenabwehrschirm in Europa gehört nicht dazu.

Nicht etwa, weil das System eine gute Idee wäre und für die europäische Sicherheit nützlich oder gar unabdingbar. Davon kann keine Rede sein. Seine Stationierung in Staaten, die früher zum Warschauer Pakt gehörten, droht zu einer Spaltung Europas zu führen und außerdem die Beziehungen von Nato und EU zu Russland schwer zu belasten. Ein neues Wettrüsten könnte die Folge sein. Das ist weder in sicherheitspolitischer noch in ökonomischer Hinsicht eine erfreuliche Perspektive.

Es wäre also wunderbar, wenn die USA auf das System verzichteten. Das werden sie aber nicht tun. Warum sollten sie auch? Sie wünschen es sich seit Jahrzehnten, und sie haben die Möglichkeit, diesen Wunsch in einer „Koalition der Willigen“ zu verwirklichen. Ohne sich um Nato und EU scheren zu müssen.

Wenn jemand, dessen Meinung gar nicht gefragt ist, etwas mit markigen Worten ablehnt, bekommt er vielleicht Beifall von den eigenen Leuten. Aber er bewirkt nichts. Sinnvoller ist es, darauf hinzuwirken, dass die eigene Meinung zählt. Im Hinblick auf den Raketenabwehrschirm bedeutet das: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat recht, wenn sie das Thema weg von der bilateralen Schiene und hinein in die Gremien der Nato bringen will. Nur innerhalb der Allianz ist es möglich, erfolgreich auf die Einbeziehung Russlands in die Planungen zu dringen. Das wäre Friedenspolitik. Eine schlichte Ablehnung des neuen Systems ist Wunschdenken. Oder Wahlkampf.

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