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Ein Gammelfleischhändler im Knast, bislang arbeitet keiner der 300 versprochenen zusätzlichen Lebensmittelkontrolleure. Verbraucherschützer beklagen: „Besser geschützt sind wir nicht“

VON MIRIAM BUNJES

Verdorbenes Fleisch bringt jetzt den ersten Händler in NRW ins Gefängnis: Das Essener Landgericht verurteilte einen Gelsenkirchener Metzger zu dreieinhalb Jahren Haft und drei Jahren Berufsverbot wegen Betrugs. Er hatte mehr als 400 Tonnen vergammeltes Fleisch verkauft, das zu Dönerspießen und mindestens 22.000 Grillwürstchen verarbeitet wurde. Die Ermittlungen begannen im Oktober 2005, nachdem in einem Gelsenkirchener Kühlhaus 60 Tonnen altes Fleisch sichergestellt wurden. Bei weiteren Kontrollen wurden in bundesweit 70 Betrieben abgelaufenes und umettiketiertes Fleisch gefunden.

Eine Haftstrafe und Kontrollgebühren für Lebensmittelbetriebe, in denen die Kontrolleure mehrmals kommen mussten – das sind bislang die einzigen Konsequenzen aus dem Gammelfleischskandal. „Vor verdorbenen Lebensmitteln sind Verbraucher in Deutschland immer noch nicht“, sagt Barbara Hohl von der Verbraucherinitiative foodwatch. Tatsächlich arbeiten die von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) als Reaktion auf den Lebensmittelskandal angekündigten 300 zusätzlichen Lebensmittelkontrolleure eineinhalb Jahre später immer noch nicht. „Sie werden zur Zeit ausgebildet“, sagt Markus Fliege, Sprecher des zuständigen Verbraucherschutzministeriums. 250.000 zusätzliche Euro hat das Ministerium für die Ausbildung der „Kontrollassistenten“ genannten Fleischfahnder zur Verfügung gestellt – „sofort“, betont der Ministeriumssprecher. „Bis 2010 werden sie wie angekündigt ihre Arbeit aufnehmen.“ Wer ihre Gehälter zahlen soll, ist allerdings umstritten. Für die Lebensmittelkontrolle sind die Städte und Gemeinden zuständig. Sie sehen sich dazu jedoch finanziell nicht in der Lage. „Wir werden sie nicht alleine lassen“, sagt Fliege. „Alles bezahlen können wir aber nicht.“

Wegen des Fleischskandals hat die nordrhein-westfälische als erste Landesregierung ein Verbraucherinformationsgesetz auf den Weg gebracht. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Namen von Firmen, die mit verdorbenen Lebensmitteln handeln, öffentlich genannt werden können. Über das Gesetz entscheidet im Mai der Landtag.

„Ländergesetze bringen nicht viel“, kritisiert Verbraucherschützerin Barbara Hohl. „Es wird ja über die Ländergrenzen hinweg gehandelt.“ Ein bundesweites Verbraucherinformationsgesetz war im Dezember am Veto von Bundespräsident Horst Köhler gescheitert.

Der Opposition im Landtag geht das geplante NRW-Gesetz nicht weit genug. „Die Verbraucher müssen laut diesem Gesetz aktiv um Informationen bitten“, sagt Johannes Remmel, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Fraktion. „Sie sollten verpflichtend veröffentlicht werden.“ Die Grünen fordern zudem, dass auch die Praktiken von Dienstleistern wie Banken und Pflegedienstleistern öffentlich gemacht werden.

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