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Femme Power

Weibliche Identitäten haben es in der queer-Szene oft schwer – wie in der Mehrheitsgesellschaft. Die Konferenz „Femme Hive“ empowert feminines Aufbegehren

Femme Hive

■ Der Kongress will einen Raum für queere Weiblichkeiten öffnen: Das Programm umfasst einen Open Space für Zines, Workshops, BPOC Femme Empowerment, Diskussionsrunden, zweimal Queer Fat Femme Kleidertausch, Partys mit Musik von Femme Hive DJ(ane)s und Visuelle Kunst.■ 10. bis 12. Oktober Bitte beachtet: Es wird um Anmeldung gebeten. Ausnahmen sind die FEMME SHOW mit Layana/ Cupcake am 10., das Filmprogramm am 11. und der Abschiedsabend am 12. Oktober. www.femmehive.com

INTERVIEW: MALTE GÖBEL

Die Organsatorinnen der Konferenz „Femme Hive“, Angie (Doktorandin für Queer Theory, Uni Graz) und Elliat (Filmemacherin und Studentin der World Heritage Studies) definieren sich als Femmes, betonen aber die Vielfalt weiblicher Identitäten.

taz: Elliat, warum diese Konferenz über Femmes?

Elliat: Ich habe im Mai einen Text auf Facebook gepostet, wie frustriert ich darüber bin, dass es keinen Femme-Space, keinen Dialog, kein Bewusstsein in Berlin gibt, wie komplex, verrückt und subversiv Femme ist. Es gab mal eine Zeit, da war das anders, kurz nach der Entstehung der Femme Mafia, die ich 2009 mitgegründet habe. Da habe ich beim Ausgehen mehr Leute gesehen, die sich femininer präsentierten, die Leute trugen Farben, Make-up, Ohrringe, lange Haare, Röcke, so was, meist Femme-Lesben.

Und heute?

E: Heute gibt es das nur noch in kleinen Taschen, etwa in der BDSM-Lesben-Szene, da ist Femme wünschenswert und begehrenswert. Aber in anderen Teilen der Queerszene ist das überhaupt nicht so. Ich habe das Gefühl, dass es die Leute dort als heteronormativ sehen. Das ist frustrierend für mich, wenn ich in Räumen nicht vorkomme oder entwertet werde.

Angie: Ich bin immer schon sehr feminin aufgetreten, nach einer nicht femininen Phase als Teenager. In Berlin hatte ich auch immer das Gefühl, dass ich als hetero gelesen werde. Ich will Räume schaffen, wo das nicht so ist, und habe Elliat kontaktiert – erst wollten wir eine Vortragsreihe machen, dann haben wir gedacht, mit Party, irgendwann war es eine Konferenz: Femme Hive.

Welche Schwierigkeiten haben Femmes in queeren Räumen?

E: Viele Leute denken, als Frau geboren zu sein und sich dann androgyn oder männlich zu präsentieren, sei queer und subversiv. Aber ich bin als Femme nicht weniger queer in meinem Geschlecht. Wenn ich als Femme unterwegs bin, habe ich das Gefühl, dass viele noch nicht so viel darüber nachgedacht haben, dass meine Identität vielleicht genau so komplex ist.

A: Das ist so oberflächlich, man fragt nicht: Was steckt dahinter? Das ist ein Problem in der Queerszene. Eigentlich sollte man erwarten, dass die Leute wissen, dass man die Identität nicht am Äußeren ablesen kann.

Welche Reaktionen gibt es?

E: „Du bist so girly“, das Gefühl bekomme ich. Ich komme in manchen Räumen nicht vor. Manchmal passiert es, dass ich auf der Straße von Heteromännern belästigt werde, und dann komme ich in queere Räume und werde dort ignoriert.

A: Es gibt ziemlich viel Feindseligkeit in Berlin. Ich habe eine Femme letzte Woche getroffen, sie war im SO36 auf einer Queerparty und musste sich auf dem Klo anhören: „Verpiss dich, du Heteroschlampe!“ Und es war das erste Mal, dass sie als Femme unterwegs war.

E: Eigentlich müsste man ja sehen können, dass Leute queer sind, sogar wenn sie eine Femme sind. Aber wenn man da nur simpel draufguckt und nicht Komplexität erwartet, sieht man das halt nicht.

Was ist subversiv an Femme?

A: Für mich ist Femme auch übersteigerte Femininität, die das dadurch auch vorführt. All Gender is drag! Ich habe auch Freundinnen, die aus dem Haus gehen und ausschauen wie ein 50er-Jahre-Pin-up – total toll! Das braucht viel Zeit und Energie und Hingabe an diese Identität, und das ist die Radikalität. E: Für mich ging es auch darum, meinen Körper zu reclaimen. Als ich 16 war hatte ich viele Femme-Frauen um mich, die mit Fat-Positivität zu tun hatten, es gab Role-Models wie Beth Ditto. Ich performe auch als Folk-Dragqueen – ist das kein Drag, nur weil ich eine Frau bin? Also kann ich auch eine Femme sein und einen weiblichen Körper haben, das ist auch subversiv!

Ist die Konferenz eigentlich nur für Frauen?

A: Für Femmes, die sich als queer-feminin sehen. Das ist nicht mit Geschlecht gekoppelt. E: Wenn du eine Sissy Fag bist, eine Drag Queen, eine Transfrau … wir haben auch Leute, die sind Sissy-Trans-Typen. Die Dynamiken sind ja ähnlich, egal ob du als Mann oder Frau gesehen wirst, schwule Tunten erleben die gleiche Diskriminierung wie lesbische Femmes. Und dahinter steht Sexismus.

Was soll Femme Hive da leisten?

E: Wir sollten zusammenkommmen und uns unterstützen! Femme verbindet! Wir haben einen Foto- und einen Zine-Workshop, und wir hoffen, dass das Material in die Öffentlichkeit kommt, damit der Dialog weitergeht und es mehr Leute erreicht.

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