: Zu teuer geputzt
Ein Ex-BSR-Vorstand steht wegen schweren Betrugs vor Gericht. Er soll Gebühren falsch berechnet haben
Vor dem Landgericht hat der Prozess gegen fünf Mitarbeiter und einen externen Berater der Berliner Stadtreinigung (BSR) begonnen. Ihnen wird die Festsetzung überhöhter Straßenreinigungsgebühren vorgeworfen. Diese entstanden durch einen Kalkulationsfehler: Für das Jahr 2000 wurden auf alle Berliner Hausbesitzer auch jene Kosten umgelegt, die für die Reinigung von Straßen ohne Anlieger anfielen. Laut Gesetz muss aber diese Kosten, die etwa für die Reinigung von Straßen entlang städtischer Parkanlagen anfallen, das Land bezahlen. Darum kassierte die landeseigene BSR im Jahr 2000 rund 22,5 Millionen Euro zu Unrecht. Bei der Festsetzung der Reinigungstarife für 2001 und 2002 soll der 63-jährige Hauptangeklagte Arnold Guski, damals Vorstand für den Bereich Reinigung und kaufmännische Dienstleistungen, bewusst die fehlerhafte Kalkulation fortgesetzt haben.
Guski wies zum Prozessauftakt gestern sämtliche Vorwürfe „mit Nachdruck“ zurück. Er sei davon ausgegangen, dass die Tarife „richtig berechnet“ worden seien. Auch habe er niemals wissentlich den Vorstand falsch informiert oder die Absicht gehabt, BSR-Kunden zu betrügen.
Die etwa 170.000 betroffenen Hausbesitzer und Wohnungsbaugesellschaften zahlten weitere 26 Millionen Euro für die Jahre 2001 und 2002 zu viel. Arnold Guski wurde im Dezember 2002 entlassen. Die BSR kehrte im ersten Quartal 2003 gratis und erstattete zudem zum Ende jenes Jahres Geld zurück. Der BSR-Vorstand wird nun des Betruges im besonders schweren Fall bezichtigt. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft. Die anderen Angeklagten werden der Beihilfe zum Betrug beschuldigt.
Seit zweieinhalb Jahren liegt die Anklage bei der Staatsanwaltschaft. Die Zeit verging vor allem bei der Suche nach geeigneten Richtern für die 14. Strafkammer. Per Gesetz sind Richter und Schöffen von der Mitwirkung an einem Strafprozess ausgeschlossen, wenn sie durch das Handeln der Angeklagten unmittelbar geschädigt wurden. Also entschieden die Richter der Strafkammer, es sollten mit diesem Fall keine Richter betraut werden, die auch Hauseigentümer sind. Mühsam wurden also Richter und Schöffen gesucht (und gefunden), die zur Miete wohnen – sie sind nach Auffassung der Kollegen durch die falschen Gebühren nur indirekt geschädigt worden.
Die gestern zahlreich versammelten Verteidiger vertraten eine andere Ansicht: Ihrer Meinung nach sind die Mitglieder des Gerichts wegen Befangenheit abzulehnen, da sie eben auch als Mieter geschädigt worden seien. Das Gericht lehnte den Befangenheitsantrag mit einer Spitzfindigkeit ab: Er sei zu spät, nämlich erst nach Feststellung der Personalien der Angeklagten, gestellt worden. Der bis Oktober terminierte Prozess wird nächste Woche Donnerstag fortgesetzt. UTA FALCK
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