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Charité wird Werbestar

Wirtschaftsunternehmen stellen immer mehr Geld für Forschungen an der Charité bereit. Jetzt fordern Linkspartei und Grüne mehr öffentliche Kontrolle bei Berlins zweitgrößtem Arbeitgeber

VON MATTHIAS LOHRE

L’Oréal ist schon da. Der Kosmetikkonzern lässt seit 2005 eine Charité-Projektgruppe über den Aufbau von Haut und Haaren forschen, für insgesamt fast eine Million Euro in drei Jahren. An derlei Kooperationen hat sich das renommierte Uniklinikum gewöhnen müssen: Heute pumpen Privatunternehmen mehr Drittmittel in die Charité-Forschung als das Bundesforschungsministerium und die EU zusammen. Dem wachsenden Wirtschaftseinfluss wollen Wissenschaftspolitiker von Linkspartei und Grünen nicht mehr tatenlos zusehen.

Seit dem Jahr 2000 geben Kosmetikkonzerne wie Johnson & Johnson und Weleda, aber auch die Volkswagen Stiftung immer mehr Geld für Forschungsvorhaben an der Charité. Binnen sechs Jahren wuchs die Summe der privaten Drittmittel von 28,8 Millionen Euro auf fast 36,6 Millionen im Jahr 2006. Das geht aus der bislang unveröffentlichten Antwort der Wissenschaftsverwaltung auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Lisa Paus hervor, die der taz vorliegt. Das Papier listet 28 laufende, privat finanzierte Forschungsvorhaben auf mit einem Fördervolumen von mindestens 125.000 Euro. Darin heißt es: „Drittmittel werden praktisch in allen Forschungsbereichen der Charité eingesetzt.“ Die wissenschaftspolitische Sprecherin sieht den wachsenden privatwirtschaftlichen Einfluss bei Berlins zweitgrößtem Arbeitgeber mit Skepsis: „Die Qualität der Forschung droht darunter zu leiden“, sagt Paus. Messbar sei das daran, dass die begehrten Drittmittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) seit 2000 nahezu konstant geblieben sind – bei 21 Millionen Euro.

„Massive Einwirkungen“ auf die Freiheit der Forschung sieht Paus’ Fachkollege in der Linkspartei-Fraktion, Wolfgang Albers: „Das ist ein Riesenproblem. Wir dürfen die Autonomie der Hochschulen nicht ersetzen durch Beschlüsse der Deutschen Bank oder der Bertelsmann-Stiftung.“ Letztlich gehe es um die Frage: „Welchen Anspruch hat die Gesellschaft an ihre Hochschulen?“ Aus diesem Grund fordert Albers den Senat auf: „Mit den Einsparungen muss Schluss sein.“

Gespart wird seit langem. 2003 fusionierte die einstige Vorzeigeklinik der DDR mit der medizinischen Fakultät der Freien Universität (FU). Damals strich Rot-Rot der Charité den Landeszuschuss für Forschung und Lehre eines Uniklinikums. Bis 2010 sinken die Fördergelder schrittweise um insgesamt 98 Millionen Euro auf weniger als 180 Millionen Euro. Ersatz musste her, die Privatwirtschaft kam da gerade recht.

Doch die hoch gelobten Privatinvestoren bringen aus Kritikersicht in vielen Fällen keinen Forschungsgewinn. Im Gegenteil, kritisiert Linkspartei-Politiker Albers. Die Charité verpflichte sich in manchen Fällen sogar, Projekte weiterzuführen, nachdem sich das Unternehmen aus dem Vorhaben zurückgezogen habe – selbst wenn sie der Forschung nicht nutzten.

Soll die Charité also zurück zur Vollfinanzierung durch die öffentliche Hand? So weit will auch der Linkspartei-Politiker nicht gehen. Stattdessen pocht Albers auf die von seiner Partei seit langem geforderte Einführung der Viertelparität – also auf mehr Mitbestimmung von wissenschaftlichen Mitarbeitern und Studierenden. Albers urteilt: „Das wäre eine Chance, die Geldflüsse transparenter zu machen.“

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