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Jüttner zieht die Notbremse

Um die Talfahrt der Partei zu stoppen, entlässt Niedersachsens SPD-Spitzenkandidat den Abgeordneten Günther Lenz. Dabei ist seine Verwicklung in die VW-Affäre nicht endgültig geklärt

VON KAI SCHÖNEBERG

Bange Blicke dürften einige niedersächsische Sozialdemokraten gestern nach Wolfsburg geworfen haben. Immerhin Hans-Jürgen Uhl hielt dicht. Der einstige SPD-Bundestagsabgeordnete und Ex-VW-Betriebsrat wurde zwar wegen von Volkswagen bezahlter Sexpartys und falscher eidesstattlicher Erklärungen vom Amtsgericht zu einer Geldstrafe von fast 40.000 Euro verdonnert. Aber zu seinem früheren Partei- und Gewerkschaftskollegen Günther Lenz sagte Uhl nichts.

Dafür redete der als Zeuge geladene VW-Personalmanager Klaus-Joachim Gebauer über Lenz, seines Zeichens VW-Betriebsratschef bei VW in Hannover – und SPD-Landtagsabgeordneter. Lenz sei für ihn in Hannover der „Ansprechpartner“ gewesen, sagte Gebauer, und habe Kontakte in die Rotlichtszene im Steintorviertel gehabt. Lenz hat Vorwürfe, er habe an Sexpartys oder Lustreisen auf Firmenkosten teilgenommen, stets vehement bestritten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen zweier Bordell-Besuche, hat aber noch kein Verfahren eröffnet.

Zwar waren die Gebauer-Ausführungen nicht neu, aber bislang enthielten sie stets zumindest ein Körnchen Wahrheit. Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion mit Kontakten zum Rotlichtmilieu? Die schmierige Frage hatten die üblichen Medien in den vergangenen zwei Jahren mit so viel Genuss gestellt, dass Lenz sich schon einer „Kampagne“ ausgesetzt sah.

Lange hatte der Spitzenkandidat der Niedersachsen-SPD, Wolfgang Jüttner, zu Lenz gestanden, „weil die Unschuldsvermutung gilt“. Gestern nun zog er die „Notbremse“: Nachdem es bis zum frühen Nachmittag so ausgesehen hatte, als würde Jüttner Lenz weiter stützen, verkündete er um 17 Uhr dessen Demission. „Unter den Gesichtspunkten des Vorwahlkampfs“ habe er Lenz „nahegelegt, sein Mandat sofort niederzulegen“, sagte Jüttner. Aus juristischer Sicht sei dem Abgeordneten wahrscheinlich nichts vorzuwerfen. Allerdings sei es „unstrittig“, sagte Jüttner, dass die Causa Lenz in der SPD Verunsicherung ausgelöst habe und auch in Zukunft Sachthemen überlagern werde. Da er als Spitzenkandidat alles tun müsse, um die SPD nach vorne zu bringen, sei Lenz’ Rücktritt unabdingbar.

Ob das Machtwort der SPD hilft? Bislang sprechen die Umfragen eine deutliche Sprache: Selbst eine jüngst von der SPD in Auftrag gegebene Studie sah die CDU bei 41, die Jüttner-SPD nur bei 36 Prozent. Fragen nach einem Vergleich mit Regierungschef Christian Wulff (CDU) orderte man bei den Demoskopen gar nicht erst. Aus gutem Grund: Rund 40 Prozent der Niedersachsen wissen nicht mal, wer Wolfgang Jüttner ist. Strahlemann Wulff erreicht stets Traumwerte, seine Partei bei einer Forsa-Umfrage 46 Prozent, die SPD nur 29. Forsa-Chef Manfred Güllner sagte unlängst sogar, Plakate mit dem Konterfei Jüttners wären „kontraproduktiv“ für den Wahlkampf. Da giftete Landesparteichef Garrelt Duin zurück, Güllner sei nur frustriert, weil er von der SPD Aufträge verloren hätte.

Schon hegen Jüttner-Gegner in Hannover wie Berlin Putschpläne: Der einstige Umweltminister sei zwar ein ehrenwerter Fachpolitiker der Parteilinken, habe aber zu wenig Aggressivität und Charisma. Als neue Spitzenkandidaten kursieren plötzlich Hannovers OB Stephan Weil, Regionspräsident Hauke Jagau – und Parteichef Duin. Dabei scheint es fraglich, ob das Bauernopfer Lenz reicht, die SPD wieder in die Offensive zu bringen.

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