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Bäume gehen baden

Behörde lässt Landwehrkanal sperren und will 15 Bäume fällen. Kritiker: „Überrumpelungstaktik“

VON JENS GRÄBER

Für viele Uferbäume am Landwehrkanal läuft die Zeit ab. Das Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin (WSA) will bis zum Montag 15 von ihnen fällen lassen – ihre Standfestigkeit sei nicht gewährleistet, erklärte gestern Amtsleiter Hartmut Brockelmann. Die Behörde hält die Situation für so gefährlich, dass sie gestern Morgen den Landwehrkanal komplett für Schiffe gesperrt hat. Gelänge es, die fraglichen Bäume am Wochenende zu fällen, könne der Schiffsverkehr am Montag wiederaufgenommen werden, so Brockelmann.

Bevor gesägt werden darf, muss die jeweilige Bezirksverwaltung zustimmen, auf deren Gebiet die Bäume stehen. Für drei Linden habe das WSA diese Erlaubnis am Donnerstag beim Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg angefordert, so Brockelmann – allerdings ohne Erfolg. Daraufhin habe sich seine Behörde an den Senat als übergeordnete Instanz gewandt, der die Fällungen gestern Nachmittag genehmigt habe. Das Kreuzberger Bezirksamt war gestern für eine Stellungnahme nicht mehr erreichbar.

Die Gefährlichkeit der zwölf übrigen Bäume sei erst gestern festgestellt worden, hier fehlten die Genehmigungen noch, so der Leiter des WSA. Alle vier an den Kanal grenzenden Bezirke seien davon betroffen, drei hätten bereits Zustimmung signalisiert – nur die Antwort aus Friedrichshain-Kreuzberg stehe noch aus.

Dirk Behrendt, stellvertretender Fraktionschef der Grünen im Abgeordnetenhaus, sprach von einer „Überrumpelungstaktik“: „Was jetzt passiert, hat mit dem verabredeten Verfahren nichts zu tun.“ Geplant war eine gemeinsame Befahrung des Kanals mit Vertretern des WSA und der Bezirksämter Anfang Juli; bis dahin sollten keine Bäume gefällt werden (taz berichtete). Er habe mit Vertretern des Kreuzberger Bezirksamts gesprochen, sie seien vom Schnellverfahren des WSA so überrascht gewesen wie er selbst, sagte Behrendt der taz. Er wundere sich, warum der Kanal nicht früher gesperrt worden sei, wenn die Gefahr so groß sei. Behrendt kritisierte das Vorgehen des WSA: „Die Sperrung des Kanals ist natürlich auch eine Möglichkeit, Druck auszuüben.“

Tatsächlich forderte der Geschäftsführer der Stern und Kreisschifffahrt, Jürgen Loch, eine schnelle Lösung des Problems – sonst seien Arbeitsplätze in Gefahr. „Das Wohl von 500 Familien hängt an drei Linden“, sagte er. Arno Paulus, Gründer der Bürgerinitiative gegen die Baumfällungen, kündigte Widerstand gegen die Fällaktion an. Die Aktivisten wollten die Bäume besteigen und so die Säge stoppen, erklärte er. Er warf dem WSA vor, erneut Tatsachen zu schaffen, ohne die Bürger zu informieren. Die Bäume zu fällen sei „ein Akt der Barbarei“, so Paulus.

Auch der Geschäftsführer von Stern und Kreis kritisierte das WSA: Die Reedereien zahlten Abgaben für die Nutzung der Wasserstraßen, sagte er. Davon sei aber offenbar zu wenig in die Instandhaltung des Landwehrkanals geflossen.

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