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Rauchergesetz mit Grenzfällen

Wirte verwirrt das neue Qualmverbot in niedersächsischen Gaststätten: Weil sich die Nachfragen häufen, richtet das Ministerium eine Hotline ein. Gaststättenverband klagt über unklare Richtlinien

VON KAI SCHÖNEBERG

Wenn neue Gesetze wie ein Ritual zelebriert begangen werden: Da verteilt ein Wirt in Hannover zuerst Zigaretten, ab Mitternacht dann Gummibärchen. Andernorts dürfen die Gäste trotz des frisch erlassenen Verbots munter weiterqualmen: Das Nichtraucherschutzgesetz trat in Niedersachsen zwar pünktlich gestern um 0.00 Uhr in Kraft, aber Strafen in Höhe von bis zu 1.000 Euro winken erst nach einer Übergangsphase, in drei Monaten. Deshalb wird das Gesetz noch nicht ganz so hart gehandhabt. Verwirrung bei den Betroffenen gibt es dafür um so mehr.

Niedersachsen hat zwar als eines der ersten Bundesländer das Rauchen in öffentlichen Einrichtungen und Gaststätten generell verboten, der Weg zum Nichtraucherland scheint jedoch noch weit. So hat das Klinikum Lüneburg gerade drei Raucherpavillons mit jeweils acht Sitzplätzen geordert, Patienten werden hier aber auch weiter auf dem Zimmer rauchen können – wenn der Arzt das zulässt. Unsicherheit grassiert vor allem unter den Gastronomen: In der Landesgeschäftsstelle des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga gingen allein in der vergangenen Woche 500 Anrufe von besorgten Wirten ein.

„Wir werden überrannt“, sagt Dehoga-Hauptgeschäftsführer Rainer Balke. Das neue Gesetz berge jede Menge „kranke Grenzfälle“, die die Kneipiers kirre machten. Zudem, sagt Balke, seien viele Wirte „tot umgefallen“, weil sie nicht damit gerechnet haben, dass der „Tag X“, der 1. August, so schnell kommt. Was ist mit dem räumlich abgetrennten „Raucherräumen“, in denen doch geraucht werden darf? Darf der Weg zur Toilette durch diese Zimmer führen? Fragen wie diese wird von heute an eine Hotline des zuständigen Gesundheitsministeriums beantworten – im letzteren Fall übrigens mit „Nein“. Zunächst für zehn Tage können sich Wirte unter der Telefonnummer 0511/120 30 09 Auskunft über das neue Gesetz holen: werktags zwischen 9 und 12 Uhr bei zwei Experten. Viel zu wenig Personal, sagt die Opposition – und spricht schon von einer „Coldline“.

Auch im Ministerium seien in der vergangenen Woche täglich „20 bis 30 Anrufe“ eingegangen, sagte jetzt ein Sprecher und gab damit indirekt zu, dass das als hieb- und stichfeste gepriesene Nichtraucherschutzgesetz den Betroffenen offenbar noch nicht einleuchtet. So darf in Kantinen weiter geraucht werden, wenn es dort nur Speisen für Betriebsangehörige gibt. Ebenso in Spielhallen, wenn dort keine Getränke ausgeschenkt werden. In Festzelten hingegen ist die Kippe nur in einem „untergeordneten Nebenraum“ erlaubt, der allerdings „mit einer fest installierten Zeltplane und Tür verschlossen sein muss“. So beschreibt es das Ministerium.

Dehoga-Mann Balke verweist auf eine Gesetzeslücke bei den Hotels: Der Bund hat nach Auffassung der Gastronomen-Lobby nach wie vor die Gesetzgebungskompetenzen für die Beherbergungsbetriebe – während die Länder seit diesem Jahr für die Restaurants und Lokale zuständig sind. „Alles was reinrassiger Hotelraum ist“, führt Balke aus, „ist nicht betroffen.“ Also darf in Lobbys, Zimmern, Fluren und Seminarbereichen von Hotels und Pensionen auch künftig weiter geraucht werden. „Aber das dürfte wohl ein Fall für die Amtsgerichte werden“, sagt Balke.

Sogar bis zum Bundesverfassungsgericht will der Gaststätten-Verband für seine Mitglieder gehen. Zurzeit sucht die Bundesgeschäftsstelle in Berlin noch nach einem Kneipier in einem 1-Zimmer-Lokal, dem wegen der Landesgesetze die rauchende Kundschaft abhanden kommt. „Zumindest für solche Fälle“, findet Rainer Balke, „hätte der Gesetzgeber ein Wahlrecht zugestehen müssen.“

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