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Kein Ohr für den Naturschutz

Affront gegen Bürgermeister Ole von Beust nach sechs Jahren Sprachlosigkeit: Die drei größten Hamburger Umweltverbände boykottieren Empfang des Senats im Rathaus zu ihren Ehren

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Mit einem gezielten Affront gegen Bürgermeister Ole von Beust (CDU) haben gestern drei Hamburger Umweltverbände auf eine Einladung ins Rathaus reagiert. Der Naturschutzbund (NABU), der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und der Botanische Verein sagten ihre Teilnahme am abendlichen „Helferempfang für Umweltschutz und Nachhaltige Entwicklung“ des Senats im Großen Festsaal ab. Wegen der „Ignoranz des Senats gegenüber Natur und Umwelt“ empfänden die tausenden ehrenamtlichen MitarbeiterInnen der drei Vereine ihren Einsatz „als Sisyphusarbeit“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung, die am Vormittag bei einem feucht-kühlen Sektempfang unter freiem Himmel auf der Schleusenbrücke neben dem Rathaus verteilt wurde.

Senatssprecher Christof Otto wollte den Korb nicht kommentieren. Es gebe keine Verpflichtung, einer Einladung des Senats Folge zu leisten: „Wenn jemand nicht kommt, ist das seine Entscheidung.“ Die Behauptung der drei Verbände, der Bürgermeister würde seit seinem Amtsantritt 2001 jedes Gespräch mit ihnen ablehnen, vermochte er nicht nachzuvollziehen: „Ich kann jetzt nicht sechs Jahre Terminkalender überprüfen.“

„Wir haben mehrfach um Gesprächstermine gebeten, etwa zum Thema Elbvertiefung“, sagte Manfred Braasch, Geschäftsführer des BUND in der Hansestadt. Der Bürgermeister habe aber stets abgelehnt und an den Fachsenator verwiesen. Selbst der Einladung des NABU zu einem Empfang zu seinem 100. Geburtstag im Februar sei der Bürgermeister nicht gefolgt, klagt dessen Sprecher Bernd Quellmalz. Das zeige ja wohl, sagt Horst Bertram vom Botanischen Verein, die Wertschätzung des Regierungschefs für den Naturschutz. In der Hafencity hingegen legte von Beust allein in dieser Woche die Grundsteine für eine Schule und für das Hamburg-America-Center.

Den Unmut über die reale Naturschutzpolitik in Hamburg hatte Umweltsenator Axel Gedaschko (CDU) bereits am 25. Februar abbekommen. Auf dem Geburtstagsempfang des NABU in der Handwerkskammer schenkte er dem mit rund 20.000 Mitgliedern größten Hamburger Umweltverband symbolisch die 5,7 Hektar großen Kirchwerder Wiesen in den Vier- und Marschlanden. Dieses unter Naturschutz stehende Biotop wurde seit 24 Jahren vom NABU gepachtet und betreut, nun ist er Eigentümer.

„Vielen Dank, Herr Senator“, sagte der NABU-Vorsitzende Rolf Bonkwald zu Gedaschko: „Ich hoffe für die Zukunft auf eine bessere Zusammenarbeit als in der Vergangenheit.“ Denn dessen Vorgänger Michael Freytag (CDU) und Peter Rehaag (Schill) pflegten mit Hamburgs Umweltverbänden eher ein Nicht-Verhältnis.

Ihre prinzipielle Kritik am Beust-Senat erneuerten BUND, NABU und Botanischer Verein gestern ausführlich. Dieser wirke „auf vielen Ebenen unserem Bemühen massiv entgegen, Hamburgs Naturerbe für folgende Generationen zu erhalten“, heißt es in einem offenen Brief an den Bürgermeister. Die Degradierung der eigenständigen Umweltbehörde zu einer Abteilung der Bau- und Verkehrsbehörde und die „Zersplitterung der zentralen Naturschutzverwaltung in die Bezirke“ hätten den Naturschutz in Hamburg erheblich geschwächt: „Natur- und Umweltschutz drohen unter die Räder der wachsenden Stadt zu geraten“, klagen die Verbände.

Diese Zuspitzung sei „sehr bedauerlich“, sagt der Sprecher der Umweltbehörde, Volker Dumann. Er hoffe aber auf regen Andrang am Abend. Von den 750 geladenen ehrenamtlichen Naturschützern kam aber nur gut die Hälfte. Diese bekamen vom Bürgermeister zu hören, dass sie „in vielen Punkten auch sehr kritische Begleiter von Politik und Verwaltung“ seien, andererseits aber „maßgeblich zur Lebensqualität in unserer grünen Stadt am Wasser beitragen“ würden. Das sehen die genauso.

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