Millionen ohne Bon

Zwei Jahre lang flossen die Urban-II-Fördergelder der EU unkontrolliert in die Dortmunder Nordstadt: Verträge und Buchhaltung existierten kaum

Geld für Projekte gab es quasi auf Zuruf, Projektanträge an die EU lagen monatelang auf Eis

von MIRIAM BUNJES

Letztendlich überwiegt bei Mario Krüger die Erleichterung: „Veruntreut wurden die Urban II Millionen wahrscheinlich nicht“, sagt der Rechnungsprüfer.

Das ist fast ein Wunder, schließlich hatte das Stadtplanungsamt in den letzten zwei Jahren immer mehr die Kontrolle über die 13 Millionen Euro schweren EU-Fördermittel verloren. Mit dem Geld wird die Dortmunder Nordstadt saniert – sozial, kulturell und auch baulich. Konkret umgesetzt wird das von Trägern vor Ort – das Stadtplanungsamt verwaltet die einzelnen Projekte lediglich und verteilt nach entsprechender Prüfung das Geld.

Mit dieser Aufgabe war man im Stadtplanungsamt offenbar überfordert, mussten die Rechnungsprüfer feststellen: „Eine derart schlampige Buchführung habe ich selten gesehen“, sagt Mario Krüger. „Über weite Strecken war nichts dokumentiert.“

Das Geld für die Projekte gab es quasi auf Zuruf, Projektanträge an die EU lagen monatelang auf Eis und auch arbeitsrechtlich spielte die Dortmunder Verwaltung mit dem Feuer: „Es wurden Mitarbeiter ohne richtige Verträge eingestellt“, berichtet Mario Krüger. „Weil man irgendwo im Hinterkopf hatte, dass es für deren Projekte ja auch demnächst mal Geld geben würde.“

Seit Ende vergangenen Jahres prüft der Rechnungsprüfungsausschuss schon das Chaos in der Dortmunder Stadtverwaltung. Und kann erst jetzt einen ersten Teilbericht vorlegen. „Man hat uns im Stadtplanungsamt die Arbeit nicht gerade erleichtert“, sagt Krüger. „Unterlagen kamen bei uns nur stockend, unchronologisch und unvollständig an.“ Die Geschichte ist eben brisant. Zu brisant für die Öffentlichkeit. Die bleibt von sämtlichen Debatten ausgeschlossen und die Unterlagen unter Verschluss, im Stadtplanungsamt darf niemand mit der Presse sprechen. „Anordnung vom Oberbürgermeister“, sagt Pressesprecher Udo Bullerdieck.

Hinter den Kulissen sind allerdings schon im Winter die Köpfe gerollt: Die Urban II Projektleiterin „beschäftigt sich inzwischen mit anderen Aufgaben“ und auch ein Großteil ihrer Crew wurde versetzt. „Oberbürgermeister Langemeyer hat zum Glück sofort auf unseren Anfangsverdacht hin reagiert“, sagt Krüger. „Sonst wären Millionen von der EU verschlampt worden, weil Anträge nicht rechtzeitig gestellt worden wären.“

Oder die EU hätte ihr Geld zurückgefordert. Denn die europäischen Armutsbekämpfer kontrollieren ihre Schäfchen genau und wollen Erfolge sehen, sonst werden die Mittel gekürzt oder gestrichen. „Und wenn die EU feststellt, dass Gelder völlig ineffizient versickert sind, hat sie auch das Recht, Geld von der Stadt zurückzufordern“, erklärt Mario Krüger.

Dieses Risiko will Dortmund natürlich nicht mehr eingehen. Ab jetzt wird systematisch kontrolliert: Die Urban-II-Projektgruppe im Planungsamt ist direkt dem Dezernenten unterstellt und „Bewilligungsbescheide der Stadt Dortmund gegenüber den Träger werden auf die jeweiligen Einzelprojekte ausformuliert, um Fehlinterpretationen zu vermeiden“, so die Beschlussvorlage des Stadtrates. Sprich: Es gibt keine Blankoquittungen mehr für Projektträger. „Unglaublich, dass die Stadt ein Projekt wie Urban so hat schleifen lassen können“, findet Mario Krüger, der auch Fraktionsvorsitzender der Grünen ist. „Urban ist immerhin die reelle Chance, die Verslumung der Nordstadt nachhaltig zu verhindern.“