: 30.000 BesucherInnen haben sich geirrt
■ Berliner Kultur im Zeitalter des Haushaltslochs: Bildende Kunst und Museen. An der Basis wird gespart – die wirklichen Probleme werden nicht mal angesprochen
Sie war erst Mitte Zwanzig, aber trotzdem schon leicht angegraut: Die FBK, 1971 als erste juryfreie Berliner Kunstausstellung ins Leben gerufen – es gibt sie nicht mehr. Nachdem schon Peter Radunskis Vorgänger im Amt des Berliner Kultursenators, Ulrich Roloff-Momin, die Freie Berliner Kunstausstellung nur noch alle zwei Jahre stattfinden lassen wollte, hat der neue Mann ihr den Garaus gemacht.
Auf den ersten Blick ist dies die einschneidendste Veränderung der Berliner Kunstlandschaft, die Radunski in seinen „Materialien zum öffentlich geförderten Kulturangebot in Berlin“ angekündigt hat. Man registriert's mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Längst stellte der Umfang der ansonsten ausgesprochen durchschnittlichen Ausstellung – 1995 nahmen an der FBK mehr als zweitausend KünstlerInnen teil – die Aufnahmefähigkeit der BesucherInnen auf harte Proben. Und auch das Prädikat „juryfrei“ hatte in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung verloren. Angesichts des Ansturms von TeilnehmerInnen sahen sich die OrganisatorInnen seit längerer Zeit genötigt, eben doch Zulassungsbeschränkungen einzuführen. Andererseits war die Megaschau in den Messehallen für viele der Fixpunkt der Kunstsaison und die einzige Möglichkeit, ihre Arbeit einem größeren Publikum zu präsentieren. 30.000 BesucherInnen kamen im vergangenen Jahr. Eine Zahl, die durch die von Radunski vorgeschlagenen Atelierrundgänge, die jetzt an die Stelle der FBK treten sollen, sich nie und nimmer wird erreichen lassen.
Den zweiten drastischen Schnitt plant der Kultursenator bei den Arbeitsstipendien, die das Land Berlin jedes Jahr verteilt. In Zukunft sollen statt bisher 34 bloß noch derer 12 vergeben werden, wobei der monatliche Betrag, mit dem die wenigen Glücklichen rechnen dürfen, von 2.500 auf 2.800 Mark angehoben wird. Gleichwohl: Wieder trifft es diejenigen, die Unterstützung am dringendsten gebrauchen können, die Basis sozusagen.
Noch zweifelhafter nehmen sich die Pläne aus, die das Künstlerhaus Bethanien in Kreuzberg betreffen. Um das international renommierte Atelierhaus, das „vor einigen Jahren im Bereich der zeitgenössischen Kunst noch eine Vorreiterrolle“ gespielt habe, sei es, so heißt es in den „Materialien“, „ruhig geworden“. Abgesehen davon, daß eine solche Aussage weitgehend tatsachenfrei erscheint, kann die Formulierung an sich nichts Gutes meinen: Verwaltung und Technik des Hauses sollen demnächst der Berliner Kulturveranstaltungs- GmbH im Podewil obliegen. Daß so ein funktionierendes Ganzes zerstört wird, ist absehbar – schließlich brauchen die KünstlerInnen, das zeigt die Praxis am Bethanien, die tägliche Betreuung vor Ort.
Etwas anders sieht die Sache bei den Berliner Museen aus. Sie sind von den jüngsten Sparbeschlüssen des Kultursenators relativ unbehelligt geblieben. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß dort auch vergleichsweise wenig zu holen gewesen wäre: 96 Millionen Mark läßt sich der Senat seine Museen kosten, darin eingerechnet sind die 20 Millionen Mark, die das Land zur hauptsächlich vom Bund getragenen Stiftung Preußischer Kulturbesitz zuschießt.
Nicht gerade viel, wenn man bedenkt, daß die rund 180 öffentlichen Sammlungen Berlins im vergangenen Jahr rund 3,7 Millionen BesucherInnen anlockten. Es gibt namentlich nur eine Institution, die sich auf ein neues Leben nach dem Tod einstellen muß. Bezeichnenderweise ist es auch hier wieder eine der kleinsten, das Georg- Kolbe-Museum in Charlottenburg. Es soll nach dem Willen des Senators künftig der Berlinischen Galerie angegliedert werden. Der Spareffekt dabei ist denkbar gering: Selbst wenn so die Stelle der einzigen Vollzeitbeschäftigten des Museums, der Direktorin Ursel Berger, wegfallen könne, was Experten bezweifeln – mehr als die 145.000 Mark, die das von der privaten Georg-Kolbe-Stiftung getragene Museum 1996 vom Senat erhielt, sind da nicht drin.
Interessant ist auch, was in den „Materialien“ nicht erwähnt wird: der Umzug der Berlinischen Galerie ins Postfuhramt an der Oranienburger Straße, die Umwandlung des Martin-Gropius-Baus in das Grand Palais von Berlin, die Zukunft des Jüdischen Museums, der Ersatz für die vor drei Jahren geschlossene Staatliche Kunsthalle – das alles sind Themen, zu denen man von Radunski gern einmal etwas gelesen hätte. Doch da macht er, was er schon vor der Veröffentlichung der „Materialien“ am liebsten tat: Er schweigt beredt. Ulrich Clewing
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