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■ Evangelische Kirche liberalisiert Ehe und HomosexualitätDas Dogma ist gefallen

Die evangelische Kirche hat einmal mehr bewiesen, daß gesellschaftlicher Fortschritt ohne sie sehr viel mühsamer zu erreichen wäre. Der Beschluß der nordelbischen Kirchenparlamentarier in Rendsburg, die Ehe nicht mehr für das alleinseligmachende Lebensmodell für Menschen zu halten, ja, ihr Wille, in Pfarrämtern homosexuelle Männer und Frauen nicht mehr mit Berufsverbot zu bedrohen, ist für die Republik wegweisend. Und eine Grußadresse an die katholische Kirche, die ihre homosexuellen Schäfchen oder ihre am Zwangszölibat leidenden Priester kujoniert, wie es sonst nur der islamische Klerus mit seinen Jüngern tut.

Die Synodalen haben dies nicht über Nacht, als Konzession an den Zeitgeist, beschlossen sondern nach zehnjähriger, hartnäckiger Diskussion. Hamburgs Bischöfin Maria Jepsen hat dieses Votum unterstützt. Ihre beiden Bischofskollegen aus Schleswig- Holstein, mit denen zusammen die Hamburgerin der nordelbischen Kirche vorsteht, wollen sich hingegen überlegen, ob sie — wie schon vor einem Jahr — ein Veto gegen diese Haltung einlegen werden. Sie werden es sich gut überlegen müssen: Die Abstimmung fiel mit 60:46 deutlicher aus, als ihnen lieb sein konnte.

Falls sie sich wiederum verweigern würden, wäre dies ein fatales Signal. Es würde bedeuten, daß die Kirche theologisch ewig auf dem Niveau der 50er Jahre bleiben will und das Selbstverständliche, nämlich daß Liebe und Sexualität nicht an Mann-Frau- Kombinationen gebunden sind und daß die Ehe von vielen Christen nicht mehr für das exklusive Lebensmodell gehalten wird, nicht anerkennt. Genau dies kann sich die Kirche nicht mehr leisten. Sie verliert steuerzahlende Mitglieder, gerade bei den Heranwachsenden, die in der Kirche mehr sehen wollen als eine verstaubte Institution, die sich einer zwiespältigen, nach sexuellen Orientierungen sortierten Nächstenliebe annimmt. Eine, die nur das kleinbürgerliche Eheideal gelten lassen will — und eine, die sich neuen Formen verweigert, weil sie Angst vor ihnen hat.

Das Geschrei der Konservativen, die Rendsburger Thesen würden die Kirche spalten, darf gelassen zur Kenntnis genommen werden. Bisher waren es vor allem sie, die jede Diskussion um eine moderne und trotzdem spirituelle Kirche abblockten. An ihnen läge es, Buße zu tun — sie haben lange genug die Kirche fundamentalistisch im Zaum gehalten. Und die Sieger der Debatte sollten gütig mit ihnen umgehen, ohne einen Deut von ihrer Haltung zurückzunehmen. Jan Feddersen

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