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SED-Funktion rechtfertigt Rauswurf nicht

■ Exprofessorin klagte gegen ihre Kündigung wegen leitender Funktion in der SED. Das Bundesverfassungsgericht gab ihr recht. Der Fall muß neu verhandelt werden. Grundsätzlich verlangt das Gericht sor

Freiburg (taz) – Ehemalige DDR-Staatsbedienstete können beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) weiterhin auf differenzierte Urteile hoffen. In einer gestern bekanntgemachten Entscheidung hob Karlsruhe ein Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts auf. Dort war die Kündigung einer Professorin nur deshalb akzeptiert worden, weil diese einst SED- Funktionärin gewesen war. Nach Ansicht des BVerfG ist dies allein kein ausreichender Kündigungsgrund. Drei weitere (nicht veröffentlichte) Entscheidungen der letzten Wochen gehen in die gleiche Richtung.

Daß in Karlsruhe die harte Linie der ostdeutschen Landesregierungen nicht mitgetragen wird, ist schon seit langem klar. Im Februar 1995 hatte ein ehemaliger Hauptmann der Volkspolizei mit einer Verfassungsbeschwerde Erfolg. Er war vom Land Berlin entlassen worden, weil er verantwortliche SED-Positionen auf der unteren Ebene wahrgenommen hatte. Karlsruhe hielt diese Kündigung für zu schematisch. Erforderlich sei dagegen eine „Würdigung der Persönlichkeit auf der Grundlage des gesamten Verhaltens vor und nach dem Beitritt“.

Dieser Grundsatz wurde in einem weiteren Grundsatzurteil im Juli dieses Jahres dann auch auf den besonders sensiblen Bildungsbereich übertragen. Hier hatten die ostdeutschen Arbeitsgerichte bis dahin überwiegend nach dem Grundsatz entschieden: „Ehemalige Funktionäre können als Lehrer nicht die Ideale glaubhaft vertreten, die sie zuvor bekämpft haben.“ Auch hier sah das Verfassungsgericht das Grundrecht der Betroffenen auf freie Berufswahl zu sehr eingeschränkt. Damals hatten zwei Verfassungsbeschwerden ehemaliger LehrerInnen Erfolg, eine weitere Klage wurde abgelehnt.

Auf der Grundlage dieser Senatsentscheidungen arbeitet nun eine mit drei RichterInnen besetzte Kammer des BVerfG die verbliebenen Fälle ab. Seit Juli wurde über sieben weitere Verfassungsbeschwerden entschieden. Vier Klagen waren dabei erfolgreich, drei scheiterten. Im gestern bekanntgegebenen Beschluß ging es um eine ehemalige Professorin, der vorgeworfen worden war, sie sei zu DDR-Zeiten ehrenamtliche Parteisekretärin und Kandidatin der SED-Kreisleitung gewesen.

Dies wollte die Hochschullehrerin nicht akzeptieren. Sie klagte, daß ihr „in undifferenzierter Weise“ die Eignung für den öffentlichen Dienst abgesprochen wurde, ohne daß ein konkretes Dienstvergehen vorlag. Dem schloß sich das Verfassungsgericht an. Auch die Tatsache, daß die Professorin für die SED-Kreisleitung noch 1989 ein „Kaderprogramm“ erarbeitet hatte, schadete ihr in Karlsruhe nicht. Die Vorinstanz, so der Vorwurf des BVerfG, habe nicht ausgeführt, daß dieses Programm spezifische SED-Interessen verfolgt habe. Insgesamt vermißte Karlsruhe eine „umfassende Einzelfallprüfung“. Der Fall muß neu verhandelt werden.

Derzeit sind noch 26 ähnliche Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe anhängig. In vier Fällen geht es dabei ebenfalls um den Vorwurf ehemaliger SED-Funktionärstätigkeit, in 20 Beschwerdefällen erfolgte die Kündigung wegen einer falschen Beantwortung des Personalfragebogens. (Az: 1 BvR 454/95) Christian Rath

Kommentar Seite 12

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