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„Natürlich überdimensioniert“

Polizeieskalation nach friedlicher Demo und Feier in der Walpurgisnacht. Ausschreitungen auch von rechten Hooligans. Mindestens 28 Festnahmen und zahlreiche Verletzte  ■ Von Gereon Asmuth

Die Vorgaben für den Verlauf der Walpurgisnacht hat die Polizei schon am Donnerstag nachmittag gesetzt: Unzählige Einsatzfahrzeuge patrouillieren rund um den Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg. Während Passanten letzte Einkäufe für das lange Wochenende erledigen, werden Räumpanzer, Bagger und Wasserwerfer positioniert.

Nur zögerlich finden sich ab 17 Uhr erste Demonstranten gegen die Polizeipräsenz ein. „Wir hatten überlegt, die Demo abzublasen“, erklärt einer der beiden Aufrufer. Aber nicht wegen zu geringer Teilnahme, sondern weil die Polizei durch die immensen Auflagen jederzeit die Möglichkeit habe, in die Demo reinzuschlagen. So demonstrierten die dann gut 250 Teilnehmer erst mit anderthalbstündiger Verspätung für das „Recht auf unkommerzielle Feiern“. Obwohl der Demonstrationsblock deutlich länger als 50 Meter war und auch laute Musik vom Band gespielt wurde – beides Verstöße gegen die Auflagen –, konnten sie friedlich auch am Kollwitzplatz vorbeiziehen, auf dem seit 1990 die Walpurgisnacht mit Feuer und Tanz gefeiert wurde.

1995 hatte die Polizei die Feier erstmals mit Wasserwerfern und Tränengas gesprengt, weil die Feuer angeblich zu gefährlich seien. Im Jahr darauf kam es erneut zur Straßenschlacht, weil die Polizei glaubte, quer durch die mehr als 10.000 Feiernden stürmen zu müssen. Letztes Jahr riegelte die Polizei den Kiez rigoros ab.

„Ja, natürlich“, antwortet ein Polizeisprecher nach der Demo auf die Frage, ob das Polizeiaufgebot nicht überdimensioniert sei. Aber man habe mit mehr Teilnehmern rechnen und die Grünflächen schützen müssen. Immerhin gebe es wegen zahlreicher Beschwerden von Anwohnern gegen die Abriegelung im vergangenen Jahr diesmal kein „Konzept, Räume von Nichtanwohnern freizuhalten“. Davon wissen seine Kollegen jedoch nichts: Sie halten den Kollwitzplatz von 17 Uhr bis in den frühen Morgen abgesperrt.

Um 23 Uhr trinken mehrere hundert Personen auf der Knaackstraße am Wasserturm ihr Bier. Wenig später drängt eine Polizeihundertschaft die Menge auf die Bürgersteige. Die Anwesenden reagieren mit zynischem Applaus. Unter dem Schlachtruf „Blumen, Blumen!“ beginnen einige zu Trommelrhythmen zu tanzen.

Gegen 0.30 Uhr hat sich vor dem „Gasthaus zur Wurzel“ an der Danziger Ecke Hagenauer Straße eine Gruppe rechter Hooligans versammelt. Nach Augenzeugenberichten bewarfen sie zunächst unter den Rufen „Wir kriegen dich, wir töten dich!“ einen auf dem Balkon stehenden Bewohner eines Nachbarhauses mit Flaschen. Auch Jugendliche, die von einer Feier in der benachbarten Kulturbrauerei herbeieilten, seien beworfen, mehrere verprügelt worden. Die Polizei sei trotz ihrer Omnipräsenz im Kiez erst nach über zwanzig Minuten eingeschritten. Mindestens zwei Personen werden verletzt. Mehrere Hools werden festgenommen. Die Polizei will weder vor Ort noch am Tag darauf zu dem Vorfall Stellung nehmen.

Gegen 1 Uhr setzt die Polizei dann auf Eskalation. Um 1.05 fordert sie dazu auf, den Kreuzungsbereich Danziger und Knaackstraße zu verlassen. Auf der Kreuzung steht jedoch niemand. Nur vor dem Eingang zur Kulturbrauerei herrscht Gedrängel. Nach insgesamt sechs gleichen Durchsagen bis 1.42 Uhr hat sich nicht nur eine Polizeikette auf der Danziger Straße postiert. Teils abziehende, teils durch die Polizeiansagen angelockte Passanten stehen nun auch auf der Straße. Mit Knüppeln, Hunden ohne Maulkorb und Würgegriffen räumt die Polizei. Später wird hier ein taz-Redakteur nach einer verbalen Auseinandersetzung mit einem Beamten von einem Polizeihund gebissen.

Gegen 2 Uhr führt der Polizeieinsatz auch am Wasserturm zu Ausschreitungen. Feiernde hatten hier buchstäblich ihr letztes Hemd gegeben, um ein kleines Walpurgisfeuer in Gang zu bringen. „Etwa 400 Personen aus der gewaltbereiten Szene suchten Auseinandersetzungen mit der Polizei“, so die offizielle Begründung für das rabiate Vorgehen. Die Beamten prügeln die Anwesenden über die Prenzlauer Allee. Nach Augenzeugenberichten gibt es mindestens 12 Verletzte. Die Polizei spricht von mindestens 28 Festnahmen im Laufe der Nacht. Gegen 3 Uhr ist es ruhig am Kollwitzplatz. Einige Beamte mit gezogenen Knüppeln schützen noch immer die Grünfläche. Ansonsten ist hier praktisch niemand.

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