: Museum für die zweite Generation
Stiftung Holocaust-Museum will die Jugend über den millionenfachen Judenmord aufklären. Alltagsarchiv über Schuldige, Sympathisanten und Schreibtischtäter ■ Von Cornelia Fuchs
Bonn (taz) – „Im Land der Täter fehlt eine zentrale Dokumentationsstätte, die endlich die Frage öffentlich diskutiert: Wie konnte es geschehen?“, sagt Manfred Messerschmidt. Der renommierte Militärhistoriker gehört zum Vorstand der „Stiftung Deutsches Holocaust-Museum“, die gestern in Bonn ihr Konzept einer Aufklärungsstätte des Holocaust vorstellte. „Dieses zentrale Dokumentationszentrum soll kein zweites Yad Vashem oder Washingtoner Holocaust-Museum werden. Wir wollen umfassend auf die Schuldigen eingehen, auf die Sympathisanten und Schreibtischtäter“, sagt der Stiftungsgründer, der Archäologe Hans-Jürgen Häßler.
Das Museum soll nach dem Willen der Initiatoren ein Forum der Forschung und Diskussion sein und keine festgefügte Ausstellung – weil „jede Generation einen neuen Zugang zur Geschichte braucht“. Schüler und Studenten sollten das Museum als internationale Begegnungsstätte, Bibliothek und NS-Alltagsarchiv nutzen können. „Wir müssen junge Leute wieder heranführen an die Vergangenheit“, sagte Messerschmidt, „ihnen die umfänglichen Forschungsarbeiten der Historiker mit modernen audiovisuellen Mitteln zugänglich machen.“ Das Museum solle ausdrücklich dem Trend begegnen, die Verbrechen des Nationalsozialismus zu verharmlosen oder gar einen Schlußstrich unter die NS-Vergangenheit zu ziehen. „Die ersten ernsten Prüfungen, die diese reiche Republik zu bestehen hatte, haben erkennen lassen, wie schnell und unbedacht, ja geradezu zwanghaft ein Teil der Bevölkerung auf die ,einfachen Lösungen‘ des Nationalsozialismus zurückgreift“, heißt es im Vorwort zum Konzept des Museums.
Die Idee für ein Museum kam Hans-Jürgen Häßler 1993, nach den Morden in Solingen. Eine Errichtung eines zentralen Holocaust-Mahnmals, wie es für Berlin geplant ist, schließt für die Stifter die Diskussion um die Vergangenheit keinesfalls ab – „eine Vergangenheit, ohne die die heutigen rechtsextremistischen Anschläge nicht denkbar wären“, sagte Häßler. Das Museum solle vielmehr ein dritter Pfeiler neben dem Mahnmal und den Gedenkstätten sein. „Für Betroffenheit sind die Gedenkstätten ein besserer Ort. In Plötzensee geht einem mehr auf als an einem Mahnmal“, sagte der Vorsitzende des Stiftungskuratoriums, Rolf Wernstedt, Landtagspräsident in Niedersachsen.
Für das Holocaust-Museum sammeln die Initiatoren seit 1993 Unterstützer. Hinter dem Museum stehen jetzt über 2.000 Personen: Politiker wie Kurt Biedenkopf oder Oskar Lafontaine, Künstler wie Ralph Giordano und Christa Wolf sowie Unternehmen wie Volkswagen und Bertelsmann. Als Standort für das Museum wünschen sich die meisten der Unterstützer Berlin. Stiftungsvorsitzender Wernstedt hofft, „daß ein guter Planer da einen sinnvollen Zusammenhang mit einem Holocaust- Mahnmal herstellen kann“.
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