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■ KommentarRisikofaktor Bauaufsicht

Es fragt sich, was für das Bezirksamt Mitte schwerer zu vermitteln ist: die Sperrung der Galeries Lafayette oder die Kehrtwende, die die Bauaufsicht gestern vollzogen hat. Sollte die Wiederholung eines Fassadenbruchs nicht hundertprozentig auszuschließen sein, müsse gesperrt werden, hieß es noch am Donnerstag. Gestern nun stellte sich der Bezirk hinter das Gutachten des Investors, in dem davon die Rede ist, daß eine „ernsthafte Gefährdung“ von Passanten nicht zu erwarten sei. Soll das, bitte schön, ein Scherz sein? Immerhin sprach der Gutachter selbst davon, daß es nicht reiche, nur die zerbrochene Scheibe auszutauschen. Nichtssagender kann ein Gutachten eigentlich nicht mehr sein.

Eine „schwierige Sache“ nannte gestern der zuständige Mitarbeiter der Bauaufsicht die Entscheidung. Und von anderer Stelle im Bezirksamt verlautete, daß „drakonische Maßnahmen“ wie die Schließung eines Gebäudes „äußerst unpopulär“ seien. In der Tat. Hätte gestern der Bezirk dem Zugang zum französischen Nobelkaufhaus einen Riegel vorgeschoben, hätte wahrscheinlich nicht nur die Geschäftsführung von Lafayette mit Schadenersatzforderungen gedroht. Auch Passanten und Touristen hätten sich womöglich um eine Attraktion betrogen gefühlt. Doch die Furcht vor den Konsequenzen einer „drakonischen“ und „unpopulären“ Entscheidung kann nicht die Grundlage behördlicher Entscheidungen sein. Erst recht nicht, wenn man die Konsequenzen eines weiteren Fassadensturzes in Betracht zieht. Oder erinnert man sich selbst im Bezirksamt Mitte nicht mehr an die Studentin Käthe Ebner, die im September 1995 am U-Bahnhof Stadtmitte von einem herabstürzenden Stahlträger erschlagen wurde? Im bauwütigen Bezirk Mitte, so scheint es, ist nun selbst die Bauaufsicht zum Risikofaktor geworden. Uwe Rada

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