: Baumafia lebte gut in Köpenick
■ CDU-Baustadtrat Werner Gehrmann steht unter Druck, weil in seinem Hochbauamt die Korruption blühte. Zwei Mitarbeiter verhaftet. Mindestens eine Million Mark Schaden
Im Zuge des Köpenicker Bauskandals hat CDU-Baustadtrat Werner Gehrmann gestern einen Teil seines Herrschaftsbereiches eingebüßt. Das Hochbauamt des Bezirks ist vorläufig nicht mehr ihm unterstellt, sondern SPD-Bürgermeister Klaus Ulbricht. Außerdem beschloßen die Stadträte, Gelder für öffentliche Bauaufträge nur noch nach gemeinsamer Prüfung freizugeben. Das solle das „Vertrauensverhältnis zwischen den BürgerInnen und dem Bezirksamt wiederherstellen“, sagte Bürgermeister Ulbricht.
Im Hause von CDU-Baustadtrat Werner Gehrmann ging es jahrelang drunter und drüber. Am Dienstag abend ließ die Staatsanwaltschaft zwei Bauleiter des Hochbauamtes wegen des Verdachts der Korruption verhaften. Sechs weitere Ermittlungsverfahren sind im Gange, darunter gegen Gehrmanns stellvertretenden Baudirektor und drei Geschäftsführer von Baufirmen. Das Bezirksamt hat die unter Verdacht stehenden Mitarbeiter inzwischen vom Dienst suspendiert.
Die Köpenicker Baumafia soll den Staat um „mindestens eine Million Mark“ betrogen haben, teilte Justizsprecherin Michaela Blume mit. Vermutlich liege die Schadenssumme aber „sehr viel höher“. Die Staatsanwaltschaft stuft die Korruptionsaffäre als „einen der größten Berliner Bauskandale seit der Wende“ ein.
Die Fahnder werfen den Bediensteten des Bezirksamtes vor, für die Auftragsvergabe an bestimmte Baufirmen von diesen drei- bis fünfstellige Geldbeträge kassiert zu haben. Außerdem hätten sie sich private Immobilien im Umland von den Unternehmen errichten lassen. Die Kosten bezahlten die Mitarbeiter des Hochbauamtes nicht selbst, so die Ermittlungsergebnisse. Die Rechnungen wurden statt dessen mit öffentlichen Aufträgen verrechnet, so daß der Bezirk die Kosten trug.
Offensichtlich machten sich Bezirksamtsmitarbeiter und Firmen eine spezielle Regelung für die Vergabe öffentlicher Bauaufträge zunutze. Hat ein Projekt einen geringeren Wert als 400.000 Mark, muß die Baumaßnahme nicht öffentlich ausgeschrieben werden. Wie Justizsprecherin Blume erklärte, wurden größere Aufträge in Köpenick deshalb so „gestückelt“, daß sie unter der Grenze blieben. Das Hochbauamt und die Firmen schlossen so unliebsame Konkurrenz aus und verteilten die Projekte nach Gutdünken. Ida Schillen, Bauexpertin der Grünen im Abgeordnetenhaus, weist deshalb Baustadtrat Gehrmann die „politische Verantwortung“ für die Korruptionsfälle zu. Offensichtlich habe Gehrmann die Vergabepraxis seiner Untergebenen nicht ausreichend überprüft.
BeobachterInnen der Köpenicker Szene gehen noch weiter. Der CDU-Politiker habe entweder „unglaublichen Dilettantismus“ an den Tag gelegt oder aber von der Vergabepraxis gewußt. Als Beispiel nennt Ulrich Peickert, Stadtplaner in Köpenick, die Sanierung des landeseigenen Müggelturms, der unlängst für über eine Million Mark saniert wurde. Dabei entstanden dem Bezirk laut Peikert Kosten von knapp 900 Mark pro Kubikmeter umbauten Raumes. Normal seien aber „höchstens 350 Mark“, meint der Stadtplaner. Möglicherweise war der Turm so teuer, weil Schmiergelder oder Privatbauten in die Kosten eingerechnet wurden. Als weiteres zwielichtiges Projekt nennt Peikert eine mehrstöckige Neubausiedlung in Müggelheim. Dieses Emsemble ließ Baustadtrat Gehrmann genehmigen, obwohl es entgegen den Vorschriften des Baugesetzbuches mit der umliegenden Umbebauung nicht harmonierte. „Der Wert des Grundstücks hat sich damit verdreifacht“, so Peikert. Frage: Floß auch dafür Geld auf schwarze Konten?
Berlinweit hat die Staatsanwaltschaft alleine im Jahr 1997 gegen 346 Korruptionsverdächtige ermittelt. 97 Mal wurde Anklage erhoben. Außerdem untersuchte die Landeskartellbehörde zwischen Januar 1996 und Juni 1998 insgesamt 156 Unternehmen wegen des Verdachts illegaler Preisabsprachen. 17 Betriebe wurden daraufhin von staatlichen Aufträgen ausgeschlossen, erklärte Bausenator Klemann auf eine Anfrage der Grünen. Hannes Koch
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