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„Eine deutsche Behörde irrt sich nie“

■ Der Bremer Satiriker Osman Engin erzählt in seinem ersten Roman „Kanaken-Gandhi“ in rasantem Tempo die aberwitzige Geschichte einer Abschiebung

Für sich genommen sind abgelehnte Asylanträge und Abschiebehaft nicht besonders lustig. Daß dennoch bei der „Bremer Buchpremiere“ in der Stadtbibliothek Neustadt herzlich darüber gelacht wurde, liegt daran, daß sich jemand wie Osman Engin des Themas angenommen hat. „Kanaken-Gandhi“ heißt der erste Roman des Bremer Satirikers.

Seit 1973 lebt der gebürtige Türke in Bremen. Bislang hat Engin nur Kurzgeschichten veröffentlicht. „Aber die Verlage haben gesagt, es verkaufen sich nur noch Romane. Also habe ich einen geschrieben“, erklärt er. Die kafkaeske Rahmenhandlung: Ich-Erzähler Osman erfährt nach 30 Jahren Gastarbeiter-Leben, daß sein Asylantrag abgelehnt wurde. Nur gestellt hatte er gar keinen. Doch dank der Datenleitungen in der vernetzten Bremer Bürokratie ist sein Wohngeldantrag bei der Ausländerbehörde gelandet. Seitdem steht in der Akte Engin „Abgeleht“. Folglich hat Osman keine Chance, seine Sachbearbeiterin Frau Kottzmeyer-Göbelsberg davon zu überzeugen, daß er keiner von diesen oberschlauen, hinterlistigen Asylbewerbern ist.

Der „Kanaken-Gandhi“ beweist, daß Engins Humor auch langstreckentauglich ist. Sein erster Roman macht fast durchweg Spaß, ist nie langweilig. Der Sprung ins kalte Wasser ist dem Kurzgeschichtenspezialisten aber vor allem gelungen, weil er sich an altbewährte Erfolgsrezepte hielt: Die Lesung vor über einhundert ZuhörerInnen zeigte, daß Engins Stärke eindeutig das Erzählen von Anekdoten ist. Das Buch ist kein großes Ganzes, sondern eine Aneinanderreihung komischer Geschehnisse.

Die aber sind wirklich lustig, denn Stoff für aberwitzig-hirnrissige Episoden liefert dieser Rahmen reichlich: Die rasanten Dialoge zwischen dem obrigkeitshörigen Opportunisten Osman und seiner Frau, die hoffnungslosen Versuche des braven Gastarbeiters, beim Straßenbahnfahren bloß alles richtig zu machen, um nicht auch noch als kriminell zu gelten, die Barrikade vor der Wohnung, als das alles nichts nützt – das alles wirkt vor dem Hintergrundthema Abschiebung doppelt bissig.

Dabei läuft Engin natürlich Gefahr, das ernste Thema zu trivialisieren. Zudem benützt er die literarische Schrotflinte und ballert wild Pointen auf die Seiten. Tatsächlich sind dabei manche Witze einfach daneben, etwa die Schilderung einer Scheinehe, die Osmans verlotterter Sohn zur Rettung vor der Abschiebung organisiert hat und bei der eine drogensüchtige Prostituierte an den Haaren herbei geschleift wird. Dann aber bringt Engin drei Sätze weiter wieder so herrlich natürliche Pointen unter, daß man dank dieser Treffer die Platitüden schnell vergißt.

Mit dem rasantem Tempo der Gags verhindert Engin, daß irgendwer auf die Idee kommt, er finde eine drohende Abschiebung wirklich lustig. Bei der Buchpremiere in der Neustadt lag er damit beim zum Großteil aus MigrantInnen bestehenden Publikum richtig, das ihn und seinen Debütroman enthusiastisch bejubelte. Die einzigen, die das möglicherweise nicht kapieren werden, sind Leute, die ebenfalls schon in Engins Buch Platz gefunden haben: die Dogmatiker von der Soli-Veranstaltung des „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst e.V.“, bei der im Buch alle möglichen Gruppen, Grüppchen und Individuen zu Wort kommen – außer Osman. Lars Reppesgaard

Osman Engin, „Kanaken-Gandhi“, bei Elefanten-Press, 304 Seiten, 29,90 Mark

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