: Strategische Provokation
Rolf Schlierer, Bundesvorsitzender der „Republikaner“, vergleicht den Protest gegen den Einzug seiner Partei in eine ehemals jüdische Villa mit der Judenverfolgung ■ Von Andreas Spannbauer
„Nazis raus“, schallt es vereinzelt von der Empore der Pankower Friedenskirche am Ossietzkyplatz. Eine ältere Frau ist zur Stelle und mahnt den jugendlichen Rufer zur Ruhe. Dann kann die erregte Diskussion weitergehen. Die Streitfrage: Die Vermietung der jüdischen Villa Garbaty in Pankow an die rechtsextremen „Republikaner“. Grund der Aufregung im Publikum: Rolf Schlierer, Bundesvorsitzender der Reps, der auf Betreiben seines Vermieters überraschend am Dienstag abend zur Podiumsdiskussion erschien.
Um mit den Reps über die Reps zu reden, haben die Schüler vom „Forum Politikum“ der Rosa-Luxemburg-Schule das Präsidiumsmitglied im Zentralrat der Juden, Moishe Waks, den FU-Politologen Hajo Funke sowie den Baustadtrat Andreas Bossmann (PDS) eingeladen. Die Schüler befürchten durch den Zuzug der Reps eine Verstärkung des rechten Klimas – schon jetzt ist Pankow der Stadtteil mit der höchsten Zahl rechtsextremer Straftaten.
Es verwundere ihn nicht, bei Rep-Chef Schlierer eine klammheimliche Freude über das ihm zur Verfügung stehende Podium festzustellen, meint Moishe Waks. Er beschränkt sich darauf, Baustadtrat Andreas Bossmann (PDS) Mut zu machen: Er möge jedes Mittel nutzen, um den Einzug der Rechten in das 1938 zwangsarisierte Gartenhaus der Villa Garbaty zu verhindern. Auch den Vermieter Seifert hält Waks für einen „Überzeugungstäter“ – er habe sehr genau gewußt, wem er das Gebäude zur Verfügung stelle.
Seifert selbst nennt den Protest gegen die Vermietung „Gesinnungsjustiz“, vergleichbar mit den Verhältnissen in der DDR. Aus seiner Nähe zur Partei macht Seifert keinen Hehl: Auf die Frage, ob er mit der Rep-Bundesvorständlerin Ingeborg Seifert verheiratet sei, meint er nur: „Zu Familenverhältnissen äußere ich mich nicht.“ Die Vermietung des Hauses könne er nicht rückgängig machen. „Pacta sunt servanda“, bricht aus ihm der Lateiner hervor. Auf eine Behauptung indes verzichten Seifert wie Schlierer an diesem Abend: Das Gartenhaus der Villa Garbaty sei nie in jüdischem Besitz gewesen (siehe Kasten).
Rolf Schlierer selbst erntet immer wieder den Unmut der etwa 400 Zuhörer. Vor allem sein Versuch, den anhaltenden Protest gegen den Einzug seiner Partei in Pankow mit der Judenverfolgung der Nationalsozialisten zu vergleichen, halten viele für eine Zumutung. Dafür will Schlierer sogar ausgerechnet den verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Heinz Galinski, für sich vereinnahmen, auf dessen Grab am Samstag ein Sprengstoffanschlag verübt wurde. Und auch von der Äußerung seines Vorgängers Franz Schönhuber, die Juden wären gut beraten, die permanente Demütigung des deutschen Volkes zu unterlassen, will sich Schlierer trotz explizierter Aufforderung nicht distanzieren.
Der FU-Politologe Funke attestiert den Reps dann auch Ausländerfeindlichkeit und übersteigerten Nationalismus. Das Ziel der „Republikaner“, sich ausgerechnet in einer jüdischen Villa einmieten zu wollen, bezeichnete Funke als „strategische Provokation“. Daß die politische Einstellung dieser Partei nirgendwo gewünscht sei, sei nach dem Nationalsozialismus „erste Bürgerpflicht“.
Baustadtrat Bossmann signalisiert indes Hilflosigkeit. Rechtlich sei der Mietvertrag nicht anzuzweifeln. Er könne höchstens prüfen, inwieweit die Nutzung durch die „Republikaner“ einer denkmalverträglichen Nutzung wiedrspreche. „Eine Spielhalle würde doch auch nicht erlaubt“, meint Moishe Waks. Für ihn sei die Veranstaltung hoffnungsvoll gewesen, sagt er später, wegen der Aufmerksamkeit des Publikums.
Für die Rep-Anhänger verläuft der Abend enttäuschend. Am Ende beklagt eine Frau mittleren Alters die Stimmungsmache gegen ihre Partei. Mit Tränen in den Augen steht sie unter dem Weihnachtsstern der Friedenskirche und kreischt wütend: „Freiheit, Freiheit, Freiheit“.
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