: Juristischer Erfolg für NS-Zwangsarbeiter
■ Nürnberger Arbeitsgericht nimmt Schadenersatzklage an
Nürnberg (dpa/taz) – Ehemalige osteuropäische Zwangsarbeiter während der NS-Zeit haben bei ihren Entschädigungsforderungen vor dem Nürnberger Arbeitsgericht einen Durchbruch errungen. Die Vierte Kammer des Gerichts nahm die Schadenersatzklage einer 75jährigen Ukrainerin an und verwies sie nicht an das Landgericht. Die Frau war zwischen 1942 und Kriegsende bei dem Nürnberger Technik- und Rüstungskonzern Diehl zwangsbeschäftigt und fordert von dem Unternehmen Entschädigung. „Erstmalig in der deutschen Rechtsprechung hat sich ein Arbeitsgericht für einen solchen Fall zuständig erklärt“, sagte ein Sprecher des Gerichts gestern und bestätigte damit einen Bericht der Frankfurter Rundschau.
Die Entscheidung erleichtert den Zwangsarbeitern eine Klage, weil sie vor einem Arbeitsgericht im Gegensatz zu einem Landgericht keinen Kostenvorschuß leisten müssen. Der hatte nach Angaben des Anwalts der Klägerin viele ehemalige Ost-Zwangsarbeiter bislang davon abgehalten, ihre Ansprüche auf dem Rechtsweg durchzusetzen.
In dem Beschluß erkannte die Nürnberger Richterin Eike Weißenfels an, daß es sich bei der Zwangsbeschäftigung um ein Arbeitsverhältnis gehandelt hatte. Auch ohne Vertrag habe die Beschäftigung in der Praxis einem Arbeitsverhältnis geglichen. Merkmale dafür seien das Erbringen von Dienstleistungen, Weisungsgebundenheit und Entlohnung. Daß die Ost-Arbeiter aus dem nationalsozialistischen Arbeitsrecht herausgenommen waren, spiele keine Rolle. Ein solchermaßen erzwungenes Beschäftigungsverhältnis bedürfe aus heutiger Sicht erst recht desselben Schutzes durch das Arbeitsrecht wie ein auf einem Vertrag beruhendes Arbeitsverhältnis. Das Arbeitsgericht unterstrich jedoch, daß der Beschluß keine andere Kammer und auch kein anderes Arbeitsgericht binde. Es sei nicht abzusehen, wie das Urteil ausfallen werde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen